Studien zur Spätscholastik. II.
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Selbstherrlichkeit gegenüber der Landesuniversität: wer sich nicht
bedingungslos fügen wolle, hieß es, möge die Stadt verlassen und
nicht zurückkehren1.
Die Magister haben sich dann gehorsam ihrem „allergnädigsten
Herrn“ gefügt. Die Zulassung der bisherigen Gegner „vom alten
Wege“ ging freilich nicht ohne Reibungen vor sich. Die Verbote
gegenseitiger Streitereien durch den Rektor sind viele Jahrzehnte
lang immer wiederholt worden und, wie die meisten akademischen
Disziplinarmaßnahmen, im ganzen erfolglos geblieben. Jodokus
von Calw mußte im Juli 1453 durch erneutes kurfürstliches Ein-
greifen vor der lärmenden Opposition von Studenten aus dem
andern Lager geschützt werden, die ihn mehrmals am Lesen gehin-
dert hatten2; (wir dürfen daraus wohl entnehmen, daß er als einer
der Haupturheber der Neuerung galt). Aber die Artistenfakultät
hielt sich streng an die neue Vorschrift, nahm den Jodokus zwei
Tage nach dem zuletzt erwähnten Eingreifen des Landesherrn in
ihren Rat wieder auf (allerdings nach Abbitte seiner früheren Be-
leidigungen)3, duldete den Zuzug immer zahlreicherer Realisten
und fand im Laufe der Zeit auch einen modus vivendi für das Neben-
einander der beiden Wege im Rahmen der für beide gemeinsam
bleibenden Fakultätsverfassung4. Für die Frequenz von Heidel-
berg war die neu anerkannte Parität der beiden Wege unzweifelhaft
günstig: mit den Kölner Magistern und Bakkalaren zogen jetzt
(außer vereinzelten Pariser Akademikern) recht zahlreiche nieder-
rheinische Scholaren in der Neckarstadt ein (übrigens spricht auch
diese Tatsache für den thomistisch-realistischen Charakter der
neuen Bewegung)5. Im ganzen freilich blieb die neue Schul-
1 UB II, 369. juli 17. 2 a. u. III 17b. 1453, juli 30. 3 1453, juli 31,
a. f. a. II, 23b. 4 Bei der Aufstellung dieser statutarischen Ordnung scheint
wiederum Jodocus Aichmann besonders stark beteiligt gewesen zu sein: vgl. s.
Verhandlung m. d. Univers.-Versammlung. 1453, okt. 2: a. u. III, 19a.
5 1449 — 63 promovierten in Heidelberg nachweislich mindestens 14 Stu-
dierende zum mag. art., die als Kölner Bakkalar? immatrikuliert waren (da-
neben 5 aus Wien, 1 aus Erfurt, 1 aus Paris). Sehr viel größer aber ist die
Zahl der Promovenden dieser Jahre, deren Namen auf niederrheinische Her-
kunft schließen lassen. Vgl. auch die Kölner bzw. Pariser Herkunft der
weiter oben erwähnten Führer der Realistenpartei: Joh. Wenck, Simon und
Herwich von Amsterdam, Burkard Wenck, Johann Petri. — Die Zahl der
Immatrikulationen aus den Diözesen Köln, Lüttich, Antwerpen hebt sich von
0 i. J. 1450/1 auf 11 i. J. 1452, weiter 12, 16, 23, 15 in den folgenden Jahren.
- Daß die Heidelberger Theologen den Kölner Thomisten Joh. Versor noch
im 16. Jahrh. benützten, bezeugt Jak. Wimpfeling, s. UB.I, S. 217, Z. 38.
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Selbstherrlichkeit gegenüber der Landesuniversität: wer sich nicht
bedingungslos fügen wolle, hieß es, möge die Stadt verlassen und
nicht zurückkehren1.
Die Magister haben sich dann gehorsam ihrem „allergnädigsten
Herrn“ gefügt. Die Zulassung der bisherigen Gegner „vom alten
Wege“ ging freilich nicht ohne Reibungen vor sich. Die Verbote
gegenseitiger Streitereien durch den Rektor sind viele Jahrzehnte
lang immer wiederholt worden und, wie die meisten akademischen
Disziplinarmaßnahmen, im ganzen erfolglos geblieben. Jodokus
von Calw mußte im Juli 1453 durch erneutes kurfürstliches Ein-
greifen vor der lärmenden Opposition von Studenten aus dem
andern Lager geschützt werden, die ihn mehrmals am Lesen gehin-
dert hatten2; (wir dürfen daraus wohl entnehmen, daß er als einer
der Haupturheber der Neuerung galt). Aber die Artistenfakultät
hielt sich streng an die neue Vorschrift, nahm den Jodokus zwei
Tage nach dem zuletzt erwähnten Eingreifen des Landesherrn in
ihren Rat wieder auf (allerdings nach Abbitte seiner früheren Be-
leidigungen)3, duldete den Zuzug immer zahlreicherer Realisten
und fand im Laufe der Zeit auch einen modus vivendi für das Neben-
einander der beiden Wege im Rahmen der für beide gemeinsam
bleibenden Fakultätsverfassung4. Für die Frequenz von Heidel-
berg war die neu anerkannte Parität der beiden Wege unzweifelhaft
günstig: mit den Kölner Magistern und Bakkalaren zogen jetzt
(außer vereinzelten Pariser Akademikern) recht zahlreiche nieder-
rheinische Scholaren in der Neckarstadt ein (übrigens spricht auch
diese Tatsache für den thomistisch-realistischen Charakter der
neuen Bewegung)5. Im ganzen freilich blieb die neue Schul-
1 UB II, 369. juli 17. 2 a. u. III 17b. 1453, juli 30. 3 1453, juli 31,
a. f. a. II, 23b. 4 Bei der Aufstellung dieser statutarischen Ordnung scheint
wiederum Jodocus Aichmann besonders stark beteiligt gewesen zu sein: vgl. s.
Verhandlung m. d. Univers.-Versammlung. 1453, okt. 2: a. u. III, 19a.
5 1449 — 63 promovierten in Heidelberg nachweislich mindestens 14 Stu-
dierende zum mag. art., die als Kölner Bakkalar? immatrikuliert waren (da-
neben 5 aus Wien, 1 aus Erfurt, 1 aus Paris). Sehr viel größer aber ist die
Zahl der Promovenden dieser Jahre, deren Namen auf niederrheinische Her-
kunft schließen lassen. Vgl. auch die Kölner bzw. Pariser Herkunft der
weiter oben erwähnten Führer der Realistenpartei: Joh. Wenck, Simon und
Herwich von Amsterdam, Burkard Wenck, Johann Petri. — Die Zahl der
Immatrikulationen aus den Diözesen Köln, Lüttich, Antwerpen hebt sich von
0 i. J. 1450/1 auf 11 i. J. 1452, weiter 12, 16, 23, 15 in den folgenden Jahren.
- Daß die Heidelberger Theologen den Kölner Thomisten Joh. Versor noch
im 16. Jahrh. benützten, bezeugt Jak. Wimpfeling, s. UB.I, S. 217, Z. 38.