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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0063
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Studien zur Spätscholastik. II.

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Theologen an, wie wir schon von den Kölner Theologen hörten
(o. p. 43, N. 1). Nun haben wir durchaus keinen Anlaß, anzu-
nehmen, daß irgendwelche Kontroversen innerhalb der Heidelberger
theologischen Fakultät den ursprünglichen Anstoß zur Einführung
der via antigua gegeben hätten; nirgends ist in den Anfängen der
Bewegung von der Führung durch Theologen (es käme wohl nur
Johannes Wenck in Betracht) die Rede1; aber der umfassende
Charakter des thomistischen Systems, der enge Zusammenhang der
entscheidenden philosophischen und theologischen Probleme der
Scholastik überhaupt legte allerdings eine Rückwirkung der von
den Artisten begonnenen Reform auf die Theologen sehr nahe.
Sehr bald hören wir denn auch von dem Angriff eines streitsüchtigen
antiquus auf die „moderne“ Theologie.
Der Provisor des Heidelberger Cisterzienserstiftes zu St. Jakob,
Doktor der Theologie und Dozent an der Universität, Bruder Arnold,
aus dem Köln benachbarten (!) Kloster Heisterbach2, schlug
am 4. Oktober 1453 an den Heidelberger Kirchentüren mehrere
Streitsätze an, die sich offensichtlich gegen gewisse Lehren der okka-
mistischen Schule richteten. Es handelte sich einmal um die Trans-
substiantiationslehre vom Abendmahl, in der Okkam (im Gegen-
satz zu Thomas) die Möglichkeit einer realen Unterscheidung von
Quantität und Substanz bestritt und demnach nicht die räumliche,
sondern die quantitätslose Gegenwart des Leibes Christi in der
Hostie behauptete3; sodann um die gleichfalls okkamistische (auch
z. B. von Marsilius von Inghen verfochtene) Lehre von der völligen
realen Identität der verschiedenen Seelenvermögen mit der Seelen-
substanz. Beide Theorien bezeichnete der Anschlag als grund-
verkehrt4. In welchem theologischen Lager die Gegner des streit -

1 Daß in einem viel späteren Stadium in Tübingen (anscheinend nur
dort!) auch die theolog. Fakultät sich in via antiqua und moderna spaltete
(Hermelink, Th. F. 79ff.) wird am leichtesten damit zu erklären sein, daß
damals (1477) im Gegenschlag zum Neuthomismus bzw. = Skotismus auch
eine bewußte Erneuerung okkamistischer Theologie erfolgt war. Davon ist in
Heidelberg zunächst keinesfalls die Rede.
2 Der Name ist in der Matrikel nicht aufzufinden. Die theologischen
Promotionsakten dieser Jahre fehlen. Er scheint der einzige Heisterbacher
Ordensangehörige an der Heidelberger Universität gewesen zu sein.
3 Vgl. darüber Seeberg DG III3 664ff., 469/70.
4 Abdruck der Sätze aus a. u. III 20 im Anhang, 2. Stück. —
UB II 377 behauptet irrig einen Zusammenhang mit dem nominalistisch-
realistischen Gegensatz und bezieht sich auf den Abdruck des Mediziners
 
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