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Gerhard Ritter:
des modus predicandi von Stephan Hoest den Verfasser zwar einen
Skotisten, zugleich aber auch einen neothericus — mit der üblichen
humanistischen Umschreibung für den scholastischen Ausdruck
modernus1. Das alles stimmt freilich nicht recht zusammen mit
den sonst bekannten und insbesondere mit den bei Prantl ange-
führten Quellen2. Prantl stützte seine Auffassung in erster Linie
auf die von uns bereits erörterten frühesten Quellenzeugnisse: auf
die Schriften des antiskotistischen „Modernen“ Joh. Gerson und
auf die Denkschrift der Kölner Universität von 1425. Beide stam-
men aus den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts und von
einem andern Schauplatz. Will man demgegenüber die genannten
Heidelberger Nachrichten aus viel späteren Jahrzehnten nicht ein-
fach ignorieren, so bleibt — wie mir scheint — nur die eine Erklä-
rung, daß die Skotisten von Hause aus in der Mitte zwischen Tho-
misten und Okkamisten standen, bald zu den Realisten, bald zu
den Nominalisten gezählt werden konnten. Zu Anfang der Partei-
spaltung ist in Heidelberg unter der via antiquorum oder realistarum
wohl ausschließlich eine thomistische (bezw. albertistische) Rich-
tung nach Kölner Muster zu verstehen. Wenigstens ist immer nur
von Thomas und Albert die Rede. Und noch 1498 wird die via
antiqua gelegentlich via thomistarum genannt3. Aber daneben be-
stand damals schon längst der erneuerte Skotismus. Im manuale
scholarium, das in den achtziger Jahren entstanden zu sein scheint,
ist von einem Nebeneinander von Modernen, Thomisten, Alber -
tisten und Skotisten die Rede, ohne daß die Zugehörigkeit der Letzt-
genannten zu einem der beiden Wege zu erkennen wäre4. Ähnlich
gab es in Wittenberg nebeneinander Thomisten und Skotisten;
letztere zählten zu den „Modernen“, bis die Berufung des Okka-
1 1. c. BL 2a. 2 Die Stelle bei Schreiber, Gesch. d.Univ.Freiburg I 60, N.
aus den Freiburger Fak.-Akten, die für eine Identifikation von Skotisten und
Modernen zu sprechen scheint (angezweifelt schon von Prantl IV, 190, N. 73),
beruht auf einem willkürlichen und irrigen Zusatz Schreibers. Die Original-
akten unterscheiden an den p. 60 u. 62 angeführten Stellen nur zwischen
reales = Scotistae und nominales, also ganz genau entprechend den Pariser
Parteiverhältnissen (nach frdl. Mitteilung von Herrn Dr. Schaub-Freiburg).—
Hermelink Th. Fak. 135ff. nimmt für Südwestdeutschland überhaupt ohne
weiteres eine Identität von Skotismus und via antiqua an. Das ist zweifellos
unrichtig. 3 a. f. a. II, 164b. Gleich darauf: via realistarum. Vgl. auch
Toepke II 424/5. — 1577: secta divi Thomae. a. f. a. III, 79b. — 1459, I, 21 :
via Alberti et Thomae a. u. III 66a. 4 Ausgabe Zarnckes: p. 21 u. 45. Die
Skotisten und Albertisten gelten als die kleinsten Parteien.
Gerhard Ritter:
des modus predicandi von Stephan Hoest den Verfasser zwar einen
Skotisten, zugleich aber auch einen neothericus — mit der üblichen
humanistischen Umschreibung für den scholastischen Ausdruck
modernus1. Das alles stimmt freilich nicht recht zusammen mit
den sonst bekannten und insbesondere mit den bei Prantl ange-
führten Quellen2. Prantl stützte seine Auffassung in erster Linie
auf die von uns bereits erörterten frühesten Quellenzeugnisse: auf
die Schriften des antiskotistischen „Modernen“ Joh. Gerson und
auf die Denkschrift der Kölner Universität von 1425. Beide stam-
men aus den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts und von
einem andern Schauplatz. Will man demgegenüber die genannten
Heidelberger Nachrichten aus viel späteren Jahrzehnten nicht ein-
fach ignorieren, so bleibt — wie mir scheint — nur die eine Erklä-
rung, daß die Skotisten von Hause aus in der Mitte zwischen Tho-
misten und Okkamisten standen, bald zu den Realisten, bald zu
den Nominalisten gezählt werden konnten. Zu Anfang der Partei-
spaltung ist in Heidelberg unter der via antiquorum oder realistarum
wohl ausschließlich eine thomistische (bezw. albertistische) Rich-
tung nach Kölner Muster zu verstehen. Wenigstens ist immer nur
von Thomas und Albert die Rede. Und noch 1498 wird die via
antiqua gelegentlich via thomistarum genannt3. Aber daneben be-
stand damals schon längst der erneuerte Skotismus. Im manuale
scholarium, das in den achtziger Jahren entstanden zu sein scheint,
ist von einem Nebeneinander von Modernen, Thomisten, Alber -
tisten und Skotisten die Rede, ohne daß die Zugehörigkeit der Letzt-
genannten zu einem der beiden Wege zu erkennen wäre4. Ähnlich
gab es in Wittenberg nebeneinander Thomisten und Skotisten;
letztere zählten zu den „Modernen“, bis die Berufung des Okka-
1 1. c. BL 2a. 2 Die Stelle bei Schreiber, Gesch. d.Univ.Freiburg I 60, N.
aus den Freiburger Fak.-Akten, die für eine Identifikation von Skotisten und
Modernen zu sprechen scheint (angezweifelt schon von Prantl IV, 190, N. 73),
beruht auf einem willkürlichen und irrigen Zusatz Schreibers. Die Original-
akten unterscheiden an den p. 60 u. 62 angeführten Stellen nur zwischen
reales = Scotistae und nominales, also ganz genau entprechend den Pariser
Parteiverhältnissen (nach frdl. Mitteilung von Herrn Dr. Schaub-Freiburg).—
Hermelink Th. Fak. 135ff. nimmt für Südwestdeutschland überhaupt ohne
weiteres eine Identität von Skotismus und via antiqua an. Das ist zweifellos
unrichtig. 3 a. f. a. II, 164b. Gleich darauf: via realistarum. Vgl. auch
Toepke II 424/5. — 1577: secta divi Thomae. a. f. a. III, 79b. — 1459, I, 21 :
via Alberti et Thomae a. u. III 66a. 4 Ausgabe Zarnckes: p. 21 u. 45. Die
Skotisten und Albertisten gelten als die kleinsten Parteien.