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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0073
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Studien zur Spätscholastik. II.

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misten Jod. Trudvetter eine dritte via Guilelmi [sc. Okkam] er-
öffnete1. Sachlich ist diese Mittelstellung der Skotisten zwischen
Realisten und Nominalisten durchaus nicht unbegreiflich. Denn
der starke Nachdruck, den Duns Skotus auf die Tatsächlichkeit
des in seiner haecceitas unableitbaren Einzelnen (Individuum) legte,
das er als den realen Grund alles Seins betrachtete und gegenüber
der abgeleiteten Realität der allgemeinen Naturen bevorzugte, hat
ja historisch ebensogut zur nominalistischen Weltauffassung Ok-
kams hingeführt, wie die metaphysische Hypostasierung seiner
formalitates und andere Gedankenreihen seiner Lehre den Anstoß
zu realistischen Folgerungen gegeben haben2. Daß fast die gesamte
neuskotistische logische Literatur des 15. Jahrhunderts (Joh. An-
glicus, Stephanus Brulifer, N. Tinctor, Th. Bricot, G. Bru-
xellensis, Petrus Tartaretus, Nie. Dorbellus u. a. m.) eine
gewisse Verwandtschaft mit logischen Werken der „Modernen“
besitzt, hat auch Prantl bemerkt, der gleichwohl die Skotisten
ohne Einschränkung zur Partei der antiqui rechnet. Er kannte
auch ein skotistisches Lehrbuch, das sich im Titel selbst als „mo-
derne“ Parteischrift ankündigt, und sah sich genötigt, diesen Titel
als „buchhändlerische verlogene Reklame“ aufzufassen, um ihn zu
eliminieren3. Ein so gewaltsames Verfahren wird überflüssig, sobald
1 Scheel Luther I3, 305/6 und II2 § 180f.
2 Schwieriger dürfte die Aufzählung des augustinisch-platonisch gerich-
teten Theologen Heinrich von Gent unter den von Hoest genannten Vätern
des Nominalismus zu rechtfertigen sein. Vielleicht denkt Hoest nur an die
gegen Thomas gerichteten theologischen Sätze Heinrichs (vom Willensprimat
u. dgl.), nicht an seine erkenntnis-theoretische Meinung? Das wäre freilich
eine arge Unklarheit.
3 IV, 200, N. 124. Th. Bricot und Georg. Bruxellensis, Textus tocius
logices, Paris 1494. — Benary sucht die PRANTLSche Erklärung derartiger
Titel (durch Buchhändler-Reklame) lächerlich zu machen. Für Georgius
Bruxellensis und Th. Bricot scheint sie auch mir unnötig. Wenn der Heraus-
geber des gedruckten Bricotschen Kommentars zum Petrus Hispanus den
Autor einen Nominalisten nennt (N. 126), so begreift man das ohne Schwierig-
keit angesichts der Definition, die Bricot vom universale gibt (N. 142). Auch
die gerügte Zitierung des „Thomisten“ Versor als Stoffgrube des Buches
(N. 126) widerspricht nicht dem „nominalistischen“ Charakter des letzteren;
tatsächlich gehören Versors Lehrbücher (soweit sie mir bekannt sind) zu
dem Verwaschensten und Farblosesten, das es damals gab. Eben darauf beruhte
wohl ihre große Verbreitung und ihre Verwendbarkeit als Materialsammlung.
Übrigens zitiert Pr. selbst (S. 241, N. 380) eine Stelle aus Jod. Trutfeder,
der Bricot und G. Bruxellensis geradezu als moderne Schulhäupter (prae-
nobiles inter Neotericoteros!) bezeichnet. — Gänzlich verfehlt dagegen ist
 
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