Studien zur Spätscholastik. II.
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gerufen hatten. Denn in dem Maße, als das geistige Niveau der
Schulkämpfe allmählich immer mehr zu einem bloßen Raufen der
viae um gutzahlende Burseninsassen und Promotionsgebühren
herabsank (wie es z. B. in Heidelberg sich um die Jahrhundert-
wende beobachten läßt), konnte auch die farblose Schulbuch-
literatur, die bloße Stoffsammlung allmählich jene älteren Kontro-
versschriften verdrängen1. Der Eklektizismus geht sogar noch über
die Verschmelzung skotistischer und okkamistischer Motive hinaus:
selbst den Thomas suchte man schließlich mit der „modernen“
Logik in Übereinstimmung zu bringen2. Die Frage ist nun, ob wir
die „modernen“ Skotisten nach der Art des Stephanus Hoest
bereits zu diesen Eklektikern der Spätzeit zu rechnen haben. Allein
wenn man bedenkt, daß zur Zeit des Stephanus der Schulkampf in
Heidelberg und auf anderen deutschen Universitäten noch in voller
Blüte stand und daß Stephanus Hoest keineswegs eine grund-
sätzliche Aussöhnung der Parteigegensätze im Auge hat, vielmehr
seinen Duns Skotus ganz eindeutig der „modernen“ Partei zu-
rechnet, so wird man geneigt sein, diese Frage zu verneinen und
lieber die von Prantl gezeichnete Gesamtansicht der Parteiverhält-
nisse erheblich zu revidieren.
Das erweist sich ohnedies als notwendig. Denn außer Stephan
Hoest zeugen noch andere Quellen klar und eindeutig für die von
Prantl geleugnete Wichtigkeit des Universalienproblems in unse-
rem Schulstreit. Zu den wertvollsten Quellenstücken der Heidel-
berger Universitätsgeschichte gehört ein (seltener) Schöfferscher
Druck von 1499, in dem die Heidelberger „Modernen“ sich gegen
alle möglichen Vorwürfe ihrer „realistischen“ Gegner verteidigen
- ein Selbstzeugnis, auf das wir in anderem Zusammenhang noch
zurückkommen werden. Darin findet sich u. a. eine fingierte Rede
des Marsilius von Inghen, den katilinarischen Reden Ciceros nach-
gebildet, zur Verteidigung der von ihm in Heidelberg begründeten
Schule. Darf man uns einen Vorwurf daraus machen, sagt der
Redner, daß wir die Universalien nicht als real gelten lassen ? Ist
1 Nach Hermelink, Theol. Fak. 136, N. 2, war das logische Lehrbuch
des Joh. Fabri de Werdea in Tübingen Ende des 15. Jhd.s offizielles Lehr-
buch der modemi. Joh. Fabri gehört nach Prantl IV, 203 zu den termini-
stischen Skotisten.
2 Vgl. Petrus Bruxellensis (Prantl IV 275ff.), Johann Eck, Jo-
hann v. Glogau u. a. (ibid. 284ff.).
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gerufen hatten. Denn in dem Maße, als das geistige Niveau der
Schulkämpfe allmählich immer mehr zu einem bloßen Raufen der
viae um gutzahlende Burseninsassen und Promotionsgebühren
herabsank (wie es z. B. in Heidelberg sich um die Jahrhundert-
wende beobachten läßt), konnte auch die farblose Schulbuch-
literatur, die bloße Stoffsammlung allmählich jene älteren Kontro-
versschriften verdrängen1. Der Eklektizismus geht sogar noch über
die Verschmelzung skotistischer und okkamistischer Motive hinaus:
selbst den Thomas suchte man schließlich mit der „modernen“
Logik in Übereinstimmung zu bringen2. Die Frage ist nun, ob wir
die „modernen“ Skotisten nach der Art des Stephanus Hoest
bereits zu diesen Eklektikern der Spätzeit zu rechnen haben. Allein
wenn man bedenkt, daß zur Zeit des Stephanus der Schulkampf in
Heidelberg und auf anderen deutschen Universitäten noch in voller
Blüte stand und daß Stephanus Hoest keineswegs eine grund-
sätzliche Aussöhnung der Parteigegensätze im Auge hat, vielmehr
seinen Duns Skotus ganz eindeutig der „modernen“ Partei zu-
rechnet, so wird man geneigt sein, diese Frage zu verneinen und
lieber die von Prantl gezeichnete Gesamtansicht der Parteiverhält-
nisse erheblich zu revidieren.
Das erweist sich ohnedies als notwendig. Denn außer Stephan
Hoest zeugen noch andere Quellen klar und eindeutig für die von
Prantl geleugnete Wichtigkeit des Universalienproblems in unse-
rem Schulstreit. Zu den wertvollsten Quellenstücken der Heidel-
berger Universitätsgeschichte gehört ein (seltener) Schöfferscher
Druck von 1499, in dem die Heidelberger „Modernen“ sich gegen
alle möglichen Vorwürfe ihrer „realistischen“ Gegner verteidigen
- ein Selbstzeugnis, auf das wir in anderem Zusammenhang noch
zurückkommen werden. Darin findet sich u. a. eine fingierte Rede
des Marsilius von Inghen, den katilinarischen Reden Ciceros nach-
gebildet, zur Verteidigung der von ihm in Heidelberg begründeten
Schule. Darf man uns einen Vorwurf daraus machen, sagt der
Redner, daß wir die Universalien nicht als real gelten lassen ? Ist
1 Nach Hermelink, Theol. Fak. 136, N. 2, war das logische Lehrbuch
des Joh. Fabri de Werdea in Tübingen Ende des 15. Jhd.s offizielles Lehr-
buch der modemi. Joh. Fabri gehört nach Prantl IV, 203 zu den termini-
stischen Skotisten.
2 Vgl. Petrus Bruxellensis (Prantl IV 275ff.), Johann Eck, Jo-
hann v. Glogau u. a. (ibid. 284ff.).