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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0079
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Studien zur Spätscholastik. II.

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Erkenntnis zerstören, als treibendes Motiv hinter dieser Polemik
steht.1. Es handelt sich hier um ein verhältnismäßig frühes Zeugnis:
da der Autor 1460 gestorben ist, fällt die Schrift vermutlich gerade
in die ersten Jahre der Heidelberger Streitigkeiten. Prantl sucht
aber den Wert dieser Quelle, die seiner Theorie so überaus unbe-
quem ist, dadurch herabzusetzen, daß er sie als thomistisches Pro-
dukt der böswilligen Verleumdung verdächtigt. Aber dazu sehe ich
keinen Anlaß. Die Schrift bezeichnet sich selbst als einen Leit-
faden, der den Kölner Scholaren das Zurechtfinden in den ver-
wickelten Streitigkeiten der verschiedenen Schulen erleichtern soll.
Warum sollte dieser Leitfaden beabsichtigen, durch künstliche Ver-
wirrung in die Irre zu führen ?
Doch Prantl hält einmal die Thomisten für unzuverlässige
Zeugen in Sachen der via moderna. Gehen wir darum ins andere
Lager hinüber und hören, wie man dort von dem Schulstreit spricht!
Eine besonders klare, auch von Prantl gelobte Darstellung bietet
der Ingolstädter Professor Johannes Parreudt ( = Bayreuther,
gest. 1495)2, gleichfalls in einem für Studierende bestimmten Hand-
buch, das den ganzen Wust überkommener Spitzfindigkeiten ab-
zutun und eine faßliche Einführung in die Logik zu geben ver-
spricht. In der Tat macht sich Parreudt nicht mehr dieMühe, die
gesamten — wie er meint, bis zum Ekel häufig erörterten — Streit-
fragen der Schulen noch einmal durchzufechten, sondern begnügt
sich mit der Angabe der Differenzpunkte und kurzen Verweisen auf
Aristoteles, Okkam und andere Autoritäten. Fragt man, was er als
entscheidende Differenz zwischen „Realisten“ und „Modernen“
angibt (auch dieser „Moderne“ vermeidet den Ausdruck nomi-
nales!), so erscheinen wieder die bekannten beiden Streitpunkte:
die Leugnung der realen Existenz der Universalien durch die mo-
derni und ihre Theorie von dem rein begrifflichen, nicht realen
Charakter aller Wissenschaft. In der Universalienfrage zeigen sich
1 ,,Nulla scienlia sic [sc. secundum viam modernorum] esset realis, sed
omnis esset sermocinalis, intentionalis seu rationalis .... Etiam inane esset
dictum philosophi . . . quod compositio et divisio conceptuum in intellectu causala
est ab aptitudine componibilitatis sive compossibililatis et divisibilitatis in re. Et
etiam falsum diceret. . . quod unumquicque sic se habet ad veritatem, sicut se habet
ad entitatem, et . . quod eadem sunt principia essendi et cognoscendi.“ — 1. c.
fol. a 3b. Vgl. auch die heftige Polemik gegen Buridan, Marsilius und Okkam
bei Prantl 183, N. 52.
2 7 extus veteris artis . . . secundum doctrinam Modernorum. Hagenau 1501
(U. B. Heidelberg). — Prantl IV 239.
 
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