Metadaten

Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0080
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
80

Gerhard Ritter:

drei Parteien: Skotisten, Thomisten und Moderne, die für Parreudt
mit den Okkamisten zusammenzufallen scheinen; denn er selbst
bekennt sich ausdrücklich zu Gerson, d’Ailly und Okkam1. Was
ihn an die Seite dieser Autoritäten treibt, ist — ganz wie bei Gerson
- das Bedürfnis nach Vereinfachung der realistischen Begriffs-
spielerei, die mit humanistischen Wendungen verspottet wird2. Auch
hier wird also der Okkamismus nicht als Steigerung, sondern als
Einschränkung der logischen Sophistereien empfunden! Und wieder-
um ähnlich wie Gerson ist der Autor überzeugt, daß auch die Meta-
physik und Theologie recht wohl auf dem Fundament der „moder-
nen“ Lehre bestehen können3. Denn die Leugnung der universalia
in essendo braucht keineswegs die metaphysische Bedeutung der
Allgemeinbegriffe zu berühren; die Logik hat es nur mit vocabula,
dictiones et termini zu tun, die Metaphysik dagegen mit den Rea-
litäten4. Der nächste und unmittelbare Gegenstand der Aussage im
Urteil ist zwar immer ein Begriff, der entfernte und mittelbare da-
gegen eine Sache5.
Prantl konnte die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen unmöglich
in Zweifel ziehen. Er begnügt sich darum mit der Bemerkung, daß
hier „nur von der Spaltung der Ansichten bezüglich der Universa-
lien“ die Rede sei. Also etwa nicht von der großen Schulstreitig-
keit, obwohl doch ausdrücklich moderni und reales einander gegen-
übergestellt werden ? Aber vielleicht könnte man die Sache so aus-
legen, daß die Universalienfrage zwar in den allgemeineren Gegen-
satz hineinspiele, aber darin nur eine Nebensache darstelle. Fragen
1 Vgl. Prantl 239, A. 372/3.
2 Von den Realisten heißt es qu. 1: Quorum quilibet telum ex balista ad
signum metae misit, sed quis ex illis signum metae tetigit vel propius sagittavit,
meum Ingenium transcendit . . . Gaudent brevitate moderni. Den Realisten macht
er zum Vorwurf: quod entia multiplicant sine necessitate.
3 fol. a 3A Famosissimi theologi omnia melius salvabant — etiam ea, quae
fidem tangunt — sine illis universalibus, quam alii, qui ea posuerunt.
4 Ibid.: Quoddam est universale in predicando — est quod natum est esse
in pluribus; multi enim textus sic habent: est quod in pluribus natum est predi-
cari, quod non videtur bene dictum . . . Universale in predicando est categorema
univocum incomplexum, quod natum est esse in pluribus, id est: quod est
formaliter commune pluribus ... Et non est inconveniens exponi diffinitionem de
signis representatibusn universale reale metaphysicum, ne omnino
illud universale fictum videatur aliquibus.
5 fol. 63b: Subiectum vel predicatum est duplex, sc. propinquum et immedia-
tum, et est terminus, vel remotum et mediatum, et est res. Vgl. auch Prantl
1. c. N. 375 (es muß dort heißen qu. 2 statt qu. 5).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften