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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0081
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Studien zur Spätscholastik. II.

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wir darum einen weiteren Zeitgenossen jener Kämpfe: den Italiener
Bartolomeus Manzolus, dessen ausgesprochene Absicht die Bei-
legung des (auch in Italien ausgebrochenen) Streites der Dialek-
tiker alter und neuer Richtung bildet. Die Auskunft, die wir erhal-
ten, ist wieder dieselbe: die einen, heißt es, betrachten als nächsten
Gegenstand der Wissenschaft die Begriffe, die andern dagegen (die
Realisten) lassen die Wissenschaft unmittelbar von den Sachen
handeln; denn jenen sind die Allgemeinbegriffe nur begriffliche
Wesenheiten, diesen sind sie echte, in den Dingen existierende
Realitäten1. Prantl ist moralisch empört über diese Angaben, über
diese ,,freche thomistische Lüge“, diese „böswillige Verdrehung und
gehässige Verdächtigung“ usw. Aber der Leser erfährt nicht, warum
denn eine solche, von allen Parteien fast gleichlautend gegebene
Erklärung des Sachverhalts2 durchaus eine so abscheuliche Ver-
leumdung darstellen soll — abgesehen davon, daß sie freilich der
vorgefaßten Theorie des Historikers kräftig widerspricht. Doch das
ist eine Sünde, an der sich jeder Bearbeiter originaler Geschichts-
quellen mit Nutzen gelegentlich zu ärgern pflegt —, im Bereiche
der Philosophie vielleicht noch mehr als in anderen Bezirken des
Historischen.
So zeigt sich der Kern des von uns untersuchten Parteigegen-
satzes im wesentlichen von allen Seiten her in der gleichen Gestalt.
Gewiß wechselt die Farbentönung je nach der Mischung der ein-
ander konträren Elemente: da, wo Skotisten und Okkamisten gegen
den Thomismus zusammenstehen, verschwimmen die Tönungen
stärker ineinander, als da, wo der Okkamismus seine nominali-
stische Grundfarbe klarer von der Verbindung realistischer Skoti-
sten mit den Thomisten absetzt. In diesem zweiten Falle kehrt er

1 Zitate bei Prantl IV 616.
2 Dafür noch weitere Belege bei Prantl selbst: Faventinus Menghus,
ein italienischer „Moderner“, unterscheidet reales und terministas nach ihrer
Stellung zum Universalienproblem (p. 232, N. 326); Barth. Arnoldi von
Usingen, der bekannte Erfurter Moderne, sieht den Unterschied in der einer-
seits (bei den Realisten) unmittelbaren, anderseits (bei den Modernen) mittel-
baren Beziehung der logischen Operationen auf die „Dinge“ begründet, also
in der alten, von uns oft erörterten Unterscheidung zwischen nahem und ent-
ferntem, unmittelbarem und mittelbarem Gegenstand des Erkennens; diese
Unterscheidung liegt natürlich in der verschiedenen Auffassung der Univer-
salien begründet, was P. übersieht (1. c. 244, N. 398). — In der Schrift des
A. Coronel über die Kategorien (1513) wird zwischen reales und nominales
unterschieden (p. 253, N. 459).

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1922. 7. Abh.

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