Studien zur Spätscholastik. II.
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terministischen Logik (obligatoria et insolubilia), die kleineren physi-
kalischen und psychologischen Schriften des Aristoteles, Ethik und
Metaphysik. Dieser Lehrstoff ist für beide „Wege“ derselbe; selbst
die Dauer der einzelnen Vorlesungen ist für beide genau gleich-
mäßig festgesetzt. Auch in der Verteilung der logischen Vorlesun-
gen ist kein erheblicher Unterschied zu entdecken. Die parva logi-
calia bilden für beide Parteien den Anfang des logischen Unter-
richts. Darunter verstand man den Inhalt der verschiedenen Ab-
handlungen über proprietates terminorum, die das logische Schul-
buch des Petrus Idispanus im 7. Traktat zusammenfaßte1, den
Kern also der „terministischen“ Logik. Nun heißt es aber in den
Statuten, daß die Scholaren de via moderna diesen Lehrstoff nach
Marsilius (von Inghen) traktieren sollen, also unzweifelhaft nach
dessen weitverbreitetem Abriß der Dialektik, der u. a. auch eine
als spezifisch „modern“ geltende Erweiterung des älteren Ter-
minismus in den Abschnitten alienatio und consequentiae enthielt2.
Die Schüler der via antiqua dagegen sollen den Petrus Hispanus
selber kennen lernen, und zwar die „kleinen Logikalien“ zusammen
mit den fünf ersten Traktaten (parva logicalia Petri Hispani cum
quinque primis tractatibus eiusdem). Das bedeutet dem Wortlaute
nach eine ungeheure Erweiterung des Stoffes; denn die „fünf
ersten Traktate“ behandeln fast den gesamten Umkreis des logi-
schen Lehrstoffes, den das aristotelische Organon umfaßt, nämlich
die Lehre vom Urteil, von den Kategorien, die 5 Prädikabilien, die
Syllogistik und Topik. Wenn alle diese Dinge wirklich schon im
Vorbereitungskurs durchgegangen wurden, so kann es sich wohl
nur um eine vorläufige, mehr kursorische Einführung gehandelt
haben. In jedem Lalle ist die Verschiebung des Wertakzentes
gegenüber dem Lehrplan der „Modernen“ bemerkenswert. Daß
gerade das Kapitel von den proprietates terminorum, dieses abstru-
seste Produkt formallogischer Gelehrsamkeit, an den Anfang des
logischen Elementarunterrichts gestellt wurde, gehörte zweifellos
zu den sonderbarsten Mißverständnissen der spätmittelalterlichen
Pädagogik. Vielleicht hat die via antiqua dafür ein Gefühl gehabt
und darum die Lehre von den Kategorien, vom Urteil und von den
1 Gewöhnlich: suppositio, ampliatio, appellatio, resirictio, dislributio, ex-
ponibilia. Doch werden zu verschiedenen Zeiten noch verschiedene andere
Teile zu den parva logicalia gerechnet, so bei Mars, von Inghen: alienatio,
consequentiae. Darüber im einzelnen Prantl III u. IV. — Für Erfurt vgl.
Scheel I2, 159. 2 Vgl. Studie I, p. 188 u. 192, Druck Nr. 2, Hss. Nr. 29ff.
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terministischen Logik (obligatoria et insolubilia), die kleineren physi-
kalischen und psychologischen Schriften des Aristoteles, Ethik und
Metaphysik. Dieser Lehrstoff ist für beide „Wege“ derselbe; selbst
die Dauer der einzelnen Vorlesungen ist für beide genau gleich-
mäßig festgesetzt. Auch in der Verteilung der logischen Vorlesun-
gen ist kein erheblicher Unterschied zu entdecken. Die parva logi-
calia bilden für beide Parteien den Anfang des logischen Unter-
richts. Darunter verstand man den Inhalt der verschiedenen Ab-
handlungen über proprietates terminorum, die das logische Schul-
buch des Petrus Idispanus im 7. Traktat zusammenfaßte1, den
Kern also der „terministischen“ Logik. Nun heißt es aber in den
Statuten, daß die Scholaren de via moderna diesen Lehrstoff nach
Marsilius (von Inghen) traktieren sollen, also unzweifelhaft nach
dessen weitverbreitetem Abriß der Dialektik, der u. a. auch eine
als spezifisch „modern“ geltende Erweiterung des älteren Ter-
minismus in den Abschnitten alienatio und consequentiae enthielt2.
Die Schüler der via antiqua dagegen sollen den Petrus Hispanus
selber kennen lernen, und zwar die „kleinen Logikalien“ zusammen
mit den fünf ersten Traktaten (parva logicalia Petri Hispani cum
quinque primis tractatibus eiusdem). Das bedeutet dem Wortlaute
nach eine ungeheure Erweiterung des Stoffes; denn die „fünf
ersten Traktate“ behandeln fast den gesamten Umkreis des logi-
schen Lehrstoffes, den das aristotelische Organon umfaßt, nämlich
die Lehre vom Urteil, von den Kategorien, die 5 Prädikabilien, die
Syllogistik und Topik. Wenn alle diese Dinge wirklich schon im
Vorbereitungskurs durchgegangen wurden, so kann es sich wohl
nur um eine vorläufige, mehr kursorische Einführung gehandelt
haben. In jedem Lalle ist die Verschiebung des Wertakzentes
gegenüber dem Lehrplan der „Modernen“ bemerkenswert. Daß
gerade das Kapitel von den proprietates terminorum, dieses abstru-
seste Produkt formallogischer Gelehrsamkeit, an den Anfang des
logischen Elementarunterrichts gestellt wurde, gehörte zweifellos
zu den sonderbarsten Mißverständnissen der spätmittelalterlichen
Pädagogik. Vielleicht hat die via antiqua dafür ein Gefühl gehabt
und darum die Lehre von den Kategorien, vom Urteil und von den
1 Gewöhnlich: suppositio, ampliatio, appellatio, resirictio, dislributio, ex-
ponibilia. Doch werden zu verschiedenen Zeiten noch verschiedene andere
Teile zu den parva logicalia gerechnet, so bei Mars, von Inghen: alienatio,
consequentiae. Darüber im einzelnen Prantl III u. IV. — Für Erfurt vgl.
Scheel I2, 159. 2 Vgl. Studie I, p. 188 u. 192, Druck Nr. 2, Hss. Nr. 29ff.