Studien zur Spätscholastik. II.
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tung mit christlichen Ideen — eine Säkularisierung also, die
sich selbst da noch bemerkbar macht, wo der Humanismus
nun wiederum von neuem und gegen seine ursprüngliche
Natur in den Dienst der alten christlichen Ideale gezogen
wird.
Erst mit dieser Einsicht gelangen wir an den Kern der histo-
rischen Frage, um die es sich hier handelt. Sie lautet nicht: Woher
stammt die neue Laienbildung in Deutschland am Ende des Mittel-
alters ?, sondern so: Woher stammt das Neue, das humanistische
Element dieser Laienbildung? Wer es für ein fremdes Import-
gewächs aus wärmeren Zonen hält, wird nicht viel Mühe haben mit
der Erklärung dafür, daß dieser Import auf fremdem Boden zu-
nächst nicht recht gedeihen wollte, Jahrhunderte zur Akklimati-
sierung brauchte und den Vorgefundenen Bestand mittelalterlicher
Bildung nicht zu überschatten vermochte. Wer dagegen diesem
Humanismus die ausländische Herkunft abspricht, hat die Ver-
pflichtung, das Neue seines Wesens anderweitig zu erklären. Her-
melink empfindet selbst die Schwierigkeit dieser Aufgabe. Er
beruft sich auf die italienische Parallele: auch dort sei ja die neue
Kultur (nachTHODE) unmittelbar aus dem christlichen Mittelalter
hervorgewachsen. Indessen dieser Vergleich zieht nicht. Denn ab-
gesehen davon, daß die TnoDESche Hypothese ein (inzwischen fast
allgemein als verunglückt betrachteter) Versuch war, die Renais-
sancekultur im weiteren Sinne, insbesondere die künstlerische, aus
dem Mittelalter abzuleiten, nicht aber den Humanismus, die be-
wußte literarische, profane Erneuerung des Altertums als Produkt
kirchlicher Reformbestrebungen zu erklären — so wird doch nie-
mand leugnen wollen, daß die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
und politischen Grundlagen der Kultur in Italien einer Säkulari-
sierung der Bildung in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters
auch ohne Einflüsse von außen, insbesondere von der Antike her,
in ganz anderer Weise günstig waren, als in Deutschland. Es
müssen also schon auf deutschem Boden andere Kräfte im Spiel
gewesen sein, wenn Hermelinks These Recht behalten soll.
Irgendein Motiv muß nachzuweisen sein, das dafür verantwort-
lich ist, daß die „kirchliche Laienbildung“ plötzlich anti-
kisierende Züge annahm, ästhetisch profane Ideale aufsteckte,
den lateinischen Stil pflegte und die scholastisch - kirchliche
Bildung in ihrer bisherigen Form verachtete. Da italienische
Einflüsse in allen diesen Erscheinungen nur ganz nebensächlich
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tung mit christlichen Ideen — eine Säkularisierung also, die
sich selbst da noch bemerkbar macht, wo der Humanismus
nun wiederum von neuem und gegen seine ursprüngliche
Natur in den Dienst der alten christlichen Ideale gezogen
wird.
Erst mit dieser Einsicht gelangen wir an den Kern der histo-
rischen Frage, um die es sich hier handelt. Sie lautet nicht: Woher
stammt die neue Laienbildung in Deutschland am Ende des Mittel-
alters ?, sondern so: Woher stammt das Neue, das humanistische
Element dieser Laienbildung? Wer es für ein fremdes Import-
gewächs aus wärmeren Zonen hält, wird nicht viel Mühe haben mit
der Erklärung dafür, daß dieser Import auf fremdem Boden zu-
nächst nicht recht gedeihen wollte, Jahrhunderte zur Akklimati-
sierung brauchte und den Vorgefundenen Bestand mittelalterlicher
Bildung nicht zu überschatten vermochte. Wer dagegen diesem
Humanismus die ausländische Herkunft abspricht, hat die Ver-
pflichtung, das Neue seines Wesens anderweitig zu erklären. Her-
melink empfindet selbst die Schwierigkeit dieser Aufgabe. Er
beruft sich auf die italienische Parallele: auch dort sei ja die neue
Kultur (nachTHODE) unmittelbar aus dem christlichen Mittelalter
hervorgewachsen. Indessen dieser Vergleich zieht nicht. Denn ab-
gesehen davon, daß die TnoDESche Hypothese ein (inzwischen fast
allgemein als verunglückt betrachteter) Versuch war, die Renais-
sancekultur im weiteren Sinne, insbesondere die künstlerische, aus
dem Mittelalter abzuleiten, nicht aber den Humanismus, die be-
wußte literarische, profane Erneuerung des Altertums als Produkt
kirchlicher Reformbestrebungen zu erklären — so wird doch nie-
mand leugnen wollen, daß die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
und politischen Grundlagen der Kultur in Italien einer Säkulari-
sierung der Bildung in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters
auch ohne Einflüsse von außen, insbesondere von der Antike her,
in ganz anderer Weise günstig waren, als in Deutschland. Es
müssen also schon auf deutschem Boden andere Kräfte im Spiel
gewesen sein, wenn Hermelinks These Recht behalten soll.
Irgendein Motiv muß nachzuweisen sein, das dafür verantwort-
lich ist, daß die „kirchliche Laienbildung“ plötzlich anti-
kisierende Züge annahm, ästhetisch profane Ideale aufsteckte,
den lateinischen Stil pflegte und die scholastisch - kirchliche
Bildung in ihrer bisherigen Form verachtete. Da italienische
Einflüsse in allen diesen Erscheinungen nur ganz nebensächlich