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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0121
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Studien zur Spätscholastik. II.

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belege vollständig fehlen1. Um so gelehrter ist der Nachweis dafür,
daß die via antiqua begonnen habe, die lateinische Grammatik von
der Verquickung mit der Logik zu reinigen, wie es die Humanisten
forderten. Aus einer Stuttgarter Handschrift werden die Titel einer
Traktatensammlung mitgeteilt, die sich ein in Erfurt studierender
Franziskaner um 1480 angelegt hat. Darin finden sich nebenein-
ander anonyme Abhandlungen über die aristotelische Physik, über
die formalitates des (Franziskaners!) Duns Skotus, grammatische
Stücke nach Alexander de Villa Dei, dem bekannten mittelalter-
lichen Schulbuch, ein Briefsteller nach Perottus, Elegantien nach
Cicero u. a. m. Aus dieser Zusammenstellung zieht Hermelink die
verblüffende Folgerung, „daß auch in Erfurt, wo der Skotismus
offiziell nicht zugelassen wurde, die Hinwendung zu den realen
Wissenschaften und der Sinn für positive Grammatik und eleganten
Stil auf dem Umweg der formalistischen1 Logik, d. h. durch still-
schweigende Anerkennung der skotistischen Erkenntnistheorie er-
möglicht worden ist2.“ Er übersieht also (um andere, sehr nahe-
liegende und sehr erhebliche kritische Einwände zu unterdrücken),
daß eben die den Humanisten verhaßte „spekulative“ Grammatik,
das Gegenteil der „positiven“, durch kein anderes Buch so stark
gefördert und verbreitet worden ist, wie durch den tractatus de modis
significandi seu grammatica speculativa desselben Duns Scotus, den
Hermelink für das Schulhaupt der via antiqua in ganz Südwest-
deutschland erklärt! Aber es wird uns noch ein besserer Quellen-
beweis für die Scheidung zwischen Grammatik und Logik durch
die antiqui geboten. Aus einem Baseler Kollegheft des 15. Jahr-
1 Vorsichtiger, aber im Kern doch wohl auf dasselbe hinauslaufend formu-
liert H. im Handb. d. K. G. III, p. 49: Da erscheint die via antiqua als eine
„Reaktionsbewegung mit realistisch-antikisierender Tendenz, die . . . getreu
ihrem Namen die via antiqua von Skotus an über Thomas zu den älteren
und ältesten Quellen einschlägt, wobei sie mit den aus Italien kommenden
humanistischen Anregungen zusammentrifft.“ Diese italienischen Anregungen
werden dann p. 53ff. offen anerkannt und nachdrücklicher als früher betont;
die Bestrebungen der Frühhumanisten sollen danach „den Bestrebungen der
via antiqua begegnen und von deren Vertretern protegiert werden“. „Die Ver-
bindung mit dieser Richtung beeinflußt die Leistungen des Humanismus in
den realistischen Disziplinen.“ Das letztere bleibt mir auch hier unverständ-
lich. Sollen die naturwissenschaftlichen Interessen der (gleich darauf genann-
ten) Wiener „Modernen“ Peuerbach, Regiomontan und Peutinger etwa aus
der via antiqua abgeleitet werden ? Mir erscheint es nicht einmal sicher, wie
weit sie sich aus ihren humanistischen Neigungen als solchen ableiten lassen!
2 Württ. Vjschr. XV, 330.
 
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