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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0122
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122

Gerhard Ritter:

hunderts werden zwei verschiedene (übrigens auch in den gedruck-
ten Handbüchern überall ähnlich zu findende) Definitionen der
suppositio zitiert, eine nach moderner Art. die andere in der Fas-
sung der antiqui1. Die okkamistische Formulierung vermeidet es,
den Begriff als „Stellvertreter“ eines esse reale zu bezeichnen, wie
die realistische Fassung; offensichtlich geschieht das um des ter-
minus communis willen, der ja nicht für eine „allgemeine Sache“,
sondern bloß für ein gedachtes Allgemeines supponieren soll (inten-
tio secunda). Hermelink dagegen zieht aus der „modernen“ De-
finition den mir unverständlichen Schluß: „Hiernach wird der
Logik in echt okkamistischer Weise die Bildung gültiger Urteile
und die Konstruktion richtiger Sätze als Aufgabe zuerkannt2.“ Soll
das heißen, daß die Skotisten der Logik nicht die Bildung gültiger
Urteile und die Konstruktion richtiger Sätze als Aufgabe zuer-
kannt haben? Offenbar! Denn gleich darauf wird die Trennung
der Logik von der Grammatik (etwa auch von der Sprache?!) als
besonderer Vorzug der antiqui gerühmt. Man begreift dann nur
nicht recht, was eigentlich Hermelink selber von der Logik er-
wartet, da er dieser Wissenschaft die „Konstruktion richtiger Sätze“
nicht zugestehen mag. Aber er hat noch weitere Beweise für seine
These: eine bei Prantl zitierte Stelle des Gersonsehen Traktates
de concordia metaphysice cum logica, die von der objektiv-realen
Bedeutung des Begriffs in der Metaphysik und seiner bloß subjek-
tiven in den sermozinalen Wissenschaften handelt3, legt er sich so
zurecht, daß er die Metaphysiker ohne weiteres mit den antiqui,
die Logiker mit den moderni gleichsetzt; daraus zieht er dann den
überraschenden Schluß „daß die moderni den Hauptwert auf die
suppositio materialis legen (Vertretung des gedachten Begriffs durch
den Sprachausdruck), während die antiqui mehr die suppositio per-
sonalis gelten lassen“ (Vertretung der extramentalen Sache durch
den Begriff). Das soll dann bei den moderni zu einer Vermengung
von Grammatik und Logik geführt haben. Als ob nicht beide
Arten der Supposition beiden Schulrichtungen gleich geläufig ge-
wesen wären! Jedes beliebige logische Handbuch des Mittelalters
kann darüber aufklären. Aber man kann diese Aufklärung noch
1 Die realistische: Suppositio cst acceptio termini subiectivi pro aliquo esse
reali. Die moderne: Suppositio est acceptio termini in propositione pro aliquo,
vcl pro aliquibus,de quo et de quibus talis terminus verijicatur mediante copula
illius propositionis. 2 Theol. Fak. 151. 3 Prantl IV, 145, N. 601. Die m. B.
richtige Auslegung der Stelle und ihres ganzen Zusammenhangs s. o. p. 26ff.
 
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