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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0124
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124

Gerhard Ritter:

Priscian zum Fundament unserer Grammatik ?“ fragen die Heidel-
berger Modernen in ihrer Verteidigungsschrift von 14991. So war
es in der Tat. Man weiß aus den Forschungen Bauchs zur Geschichte
des Frühhumanismus, welche unsägliche Mühe es kostete, selbst an
solchen Universitäten, die eine humanistische Reform des Sprach-
unterrichts erklärt ermaßen einführen wollten, von den alten, seit
Jahrhunderten gebrauchten grammatischen Schulbüchern loszu-
kommen und neue, brauchbare zu beschaffen2. In Heidelberg
schreiben die Statuten noch 15013 den Gebrauch des alten Donat
und Alexander de Villa Dei (und zwar auch von dessen zweitem
Teil!) für beide viae vor.
Nach alledem ist der Nachweis eines sachlichen Zusammen-
hanges zwischen via antiqua und Humanismus in allen den Punk-
ten, die den historischen Charakter der humanistischen Bewegung
als solcher ausmachen (und dazu gehört das damals in weitesten
Kreisen verbreitete Interesse an der Kirchenreform nicht!) als voll-
ständig mißlungen zu betrachten. Wenn unsere Untersuchung des
Schulstreites irgend etwas erwiesen hat, so ist es die Tatsache, daß
die via antiqua genau das Gegenteil von dem erstrebte, was Her-
meline selbst als die charakteristische Tendenz und Leistung des
Humanismus auf dem Gebiete der Wissenschaften bezeichnet:
„Verselbständigung der Einzelwissenschaften gegenüber der Theo-
logie“4. Will man sich das recht anschaulich machen, so braucht
man nur das Edikt, Ludwigs XI. gegen den Okkamismus zu lesen,
zu dem die Pariser Realisten den König im Jahre 1473 überredeten.
Schon Papst Gregor, heißt es da, habe das Studium der ciceronia-
nischen Beredsamkeit an den Hochschulen verboten, weil die Stu-
dierenden damit ihre beste Zeit verlören. ,,So liegt auch uns die
Pflicht ob, mit allem Eifer dafür zu sorgen, daß unser Pariser
Studium, an dem von jeher die Leuchte des Glaubens am hellsten
gestrahlt hat, eine heilbringende Wissenschaft und die Lehre der
größten realistischen Autoren blühte, anderer weniger notwendiger
Unterricht aber ganz und gar beseitigt war, auch fürderhin be-
ständig zum Lobe Gottes, zur Erbauung seiner Kirche und zur
1 S. o. p. 75 ff. 2 Vgl. z. B. Bauch, Die Rezeption des Humanismus
in Wien, 106/7 (Reform von 1504). — In Wien scheint man 1499 die 3 üb-
lichen Versuche zur Reform des artistischen Studiums gleichzeitig angestellt
zu haben: zweckmäßige Redigierung der „modernen“ Lehrbücher, Zulassung
des Realismus und humanistische Reform des grammat. Unterrichts — übri-
gens erfolglos. L. c. 99ff. 3 a. f. a. III 5b. 4 Relig. Reformbestrebungen,
p. 14.
 
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