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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0134
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134

Gerhard Ritter:

kretistisch gestimmten theologischen Literatur, die für das ganze
15. Jahrhundert charakteristisch ist. Wen will man aus dem Lager
der via antiqua danebenstellen? Und warum sollte eigentlich das
Programm der Vereinfachung der Theologie den okkamistischen
Prinzipien widersprechen? War nicht einer der Hauptgrundsätze
aller Modernen, den auch die Spätesten unter ihnen immer wieder
Okkam nachredeten, man dürfe nicht zwei Begriffe setzen, wo einer
genüge (nulla pluralitas sine necessitate) ? Hatte nicht Okkam einen
ganzen Wust von metaphysischen Hirngespinsten, mit denen sich
Thomas und Skotus herumschlugen, kurzerhand beseitigt ? Wenn
Johannes Gerson von Vereinfachung der Theologie sprach, so
dachte er in erster Linie, wie wir gesehen haben (o. S. 25), an die
unnützen formalitates des Duns Skotus. Und die Kölner Thomisten
hatten sich 1425 gegen den Vorwurf der Modernen zu wehren,
daß ihre Philosophie allzu subtil und schwer faßbar sei (s. o. S. 39).
Das waren Urteile der Gegenpartei — gewiß! Aber auch der Histo-
riker wird fragen dürfen, ob es wirklich ein geeignetes Heilmittel
gegen das Überwuchern logischer Spekulationen war, wenn man
unbesehens die philosophisch-theologischen Systeme des Thomas
und vollends des Duns Skotus mit ihrem großen dialektischen
Apparat erneuerte? Gewiß: die Darstellungsformen des 13. Jahr-
hunderts waren relativ einfacher gewesen, als die der späteren
waren, die sich mit einem größeren ererbten Ballast von dialek-
tisch enKünsten zu schleppen hatten. Die theologischen Systeme aber
als solche waren wohl eher komplizierter als der verwaschene Ok-
kamismus der Spätzeit. Und warum sollten die Chancen der
älteren Theologie im Vergleich zu der sogenannten „modernen“
steigen, wenn es den theologischen Gebildeten des 15. Jahrhunderts
auf verstärkte Betonung der biblischen Autorität und der augusti-
nischen Ideen ankam, wie Seeberg meint ? Hatte nicht Okkam
seiner Schule den Biblizismus eingeimpft ? Lind waren nicht augu-
stinische Gedanken unter den okkamistischen Theologen des Augu-
stinerordens besonders lebendig?
Ich denke, die Summe dieser Erwägungen wird uns zu größter
Vorsicht bestimmen bei der Beurteilung der Frage, ob der via
antiqua ein besonderes Verdienst um die Reinigung der Theologie
von überflüssigen dialektischen Erörterungen zukomme. Liest man
etwa in dem Bonaventurakommentar des Skotisten Stephan Bru-
lefer, wie er das vierte Buch der Sentenzen, das die Sakraments-
lehre enthält, als das „nützlichste und wertvollste“ (utilis et virtuo-
 
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