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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0139
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Studien zur Spätscholastik. II.

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schärfer von den andern Reformbewegungen des ausgehenden
Mittelalters sonderte, erschienen sie ihm fortgeschrittener im Sinne
der späteren Aufklärungsphilosophie, in ihren Wirkungen dem-
gemäß weiterreichend als diese. Hermelink, der den Humanis-
mus in enge Verbindung mit der Spätscholastik, eben der via anti-
qua brachte, beurteilte demgemäß auch seine religiösen Reform-
ideen wesentlich als ein Stück innerkatholischer Reformbestrebun-
gen, deren Wirkungen schließlich in der Kultur der Gegenrefor-
mation enden.
In diesem weitreichenden Zusammenhang steht also die Frage
nach der religionsgeschichtlichen Bedeutung der via antiqua. Von
vornherein ist nun wenig wahrscheinlich, daß eine Bewegung, der
die Erneuerung der hochscholastischen Systeme als Ziel vor-
schwebte, innere Verwandtschaft besessen haben sollte mit irgend-
einer religiösen Strömung, der es auf geistige Überwindung des
kirchlichen Heilsapparates ankam. Denn eben die geistige Stützung
der kirchlichen Machtstellung, ihre Begründung mit allen Mitteln
theologisch-philosophischer Spekulation, war ja der ausgesprochene
oberste Zweck jener hochscholastischen Systeme. Wie unendlich
eng, wirtschaftlich (im Pfründnerwesen!) und geistig, waren die
alten Universitäten an das päpstliche Herrschaftssystem gebunden,
das doch ganz und gar auf der Unentbehrlichkeit priesterlicher
Vermittlung in religiösen Dingen beruhte! Wie ängstlich verhielten
sich die deutschen Universitäten auf den großen Reformkonzilien!
Wie sorgsam suchten sie jederzeit die engste Fühlung mit der
Kurie festzuhalten! Im ganzen 15. Jahrhundert, vor wie nach dem
Aufkommen der via antiqua, haben ihre theologischen Fakultäten
im Dienste der alten Kirche gegen jede Abweichung vom Schema
der strengsten kirchlichen Orthodoxie prozessiert. Das thomistische
Köln stand den religiösen Reformbestrebungen schwerlich näher,
als die andern Hochschulen1. Den Prozeß gegen Johann von Wesel,
dessen reformerische Kritik den Ideen des Humanismus besonders
nahegestanden zu haben scheint, führten außer einem „modernen“
Theologen (dem alten Nikolaus von Wachenheim) die beiden Haupt-
säulen der via antiqua in Heidelberg, Jodokus Aichmann und Her-
wich von Amsterdam2. Jakob Wimpfeling führte später diesen
Prozeß geradezu auf die Feindschaft der beiden Thomisten gegen
den „Modernen“ Johann von Wesel zurück3. In jedem Fall sollte
1 Vgl. Hashagen, Hist. Zs. 124, 204ff. 2 U. B. I, Nr. 132. 3 Con-
cordia curatorum et fratrum mendicantium (1503) zit. bei Bauch Univ. Er-
furt, p. 13, Anm. 5.
 
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