Studien zur Spätscholastik. II.
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Man darf vielleicht sagen, daß die thomistische Philosophie der via
antiqua wenigstens den neuplatonischen Ideen innerlich näher stand,
als die okkamistische Theologie der Modernen. Der Heidelberger
Johannes Wenck mit seiner Verehrung für den Areopagiten (s. o.
S. 51/2) und eine Erscheinung wie die des Dionysius Rickel weisen
darauf hin. Mehr wird man vorläufig nicht sagen dürfen. Wessel
Gansfort, der an den entschieden reformerischen, gegen die schola-
stische Tradition gerichteten Ideen der Mystik stark beteiligt war,
scheint zwar im Zusammenhang mit der Heidelberger Reform von
1452 (also vielleicht auf Veranlassung von Kölner Freunden aus
der via antiqua) nach Heidelberg berufen zu sein; doch soll er
dort später von der theologischen Fakultät abgelehnt worden sein
und hat sich in Paris der via moderna zugewandt — der beste Beweis
dafür, daß er innerlich über die scholastischen Parteigegensätze
hinauswuchs, je mehr er seine eigene Linie fand1. Mehr als eine
gelegentliche Berührung können wir also auch hier nicht fest-
stellen. Eine direkte Förderung der Ideen, die der mystischen
Bewegung ihre geschichtliche Bedeutung als Befreierin vom schola-
stischen Denken verliehen, lag naturgemäß außerhalb der Möglich-
keiten einer streng scholastischen Reformpartei. Bedurfte es dafür
noch eines ausdrücklichen Zeugnisses, so besitzen wir jetzt ein
solches, und zwar in klassischer Klarheit, in der schon früher zitier-
ten Streitschrift des Johannes Wenck gegen die mystischen Ideen
des Cusaners. Der ganze Inhalt dieses Traktates läßt sich in dem
einen Satze zusammenfassen: die „negative Theologie“ der Mystik
zerstört die absolute Transcendenz und die Personalität Gottes;
indem also die Grenzen zwischen Schöpfer und Geschöpf ins Wan-
ken geraten, fällt die ganze Welt Vorstellung zusammen, auf der
der Bau der kirchlichen Hierarchie dogmatisch begründet ist.
Sobald die Mystik an die Schranken der kirchlichen Dogmatik auch
nur zu rühren scheint, findet sie in dem Vorkämpfer der via antiqua
einen erbitterten Gegner. Meister Eckehart, die ketzerischen Straß-
burger Begharden von 1317, die Waldenser und die verfluchten
Wiklifiten stehen für ihn alle auf einer Linie der Verdammnis2.
1 U. B. II 375, 476. — Ferner: Protest. Realencykl. XXI, 131 ff. Mest-
werdt 116.
2 Höchst interessant zeigt sich auch die Verständnislosigkeit des gelehrten
Scholastikers für die praktisch-religiöse Seite dieser radikalen Mystik in
einem Briefe Joh. Wencks an Abt Joh. v. Gelnhausen, dessen Bruder, von
mystisch-asketischen Ideen getrieben, das abgescheiden leben eines waltbruders
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Man darf vielleicht sagen, daß die thomistische Philosophie der via
antiqua wenigstens den neuplatonischen Ideen innerlich näher stand,
als die okkamistische Theologie der Modernen. Der Heidelberger
Johannes Wenck mit seiner Verehrung für den Areopagiten (s. o.
S. 51/2) und eine Erscheinung wie die des Dionysius Rickel weisen
darauf hin. Mehr wird man vorläufig nicht sagen dürfen. Wessel
Gansfort, der an den entschieden reformerischen, gegen die schola-
stische Tradition gerichteten Ideen der Mystik stark beteiligt war,
scheint zwar im Zusammenhang mit der Heidelberger Reform von
1452 (also vielleicht auf Veranlassung von Kölner Freunden aus
der via antiqua) nach Heidelberg berufen zu sein; doch soll er
dort später von der theologischen Fakultät abgelehnt worden sein
und hat sich in Paris der via moderna zugewandt — der beste Beweis
dafür, daß er innerlich über die scholastischen Parteigegensätze
hinauswuchs, je mehr er seine eigene Linie fand1. Mehr als eine
gelegentliche Berührung können wir also auch hier nicht fest-
stellen. Eine direkte Förderung der Ideen, die der mystischen
Bewegung ihre geschichtliche Bedeutung als Befreierin vom schola-
stischen Denken verliehen, lag naturgemäß außerhalb der Möglich-
keiten einer streng scholastischen Reformpartei. Bedurfte es dafür
noch eines ausdrücklichen Zeugnisses, so besitzen wir jetzt ein
solches, und zwar in klassischer Klarheit, in der schon früher zitier-
ten Streitschrift des Johannes Wenck gegen die mystischen Ideen
des Cusaners. Der ganze Inhalt dieses Traktates läßt sich in dem
einen Satze zusammenfassen: die „negative Theologie“ der Mystik
zerstört die absolute Transcendenz und die Personalität Gottes;
indem also die Grenzen zwischen Schöpfer und Geschöpf ins Wan-
ken geraten, fällt die ganze Welt Vorstellung zusammen, auf der
der Bau der kirchlichen Hierarchie dogmatisch begründet ist.
Sobald die Mystik an die Schranken der kirchlichen Dogmatik auch
nur zu rühren scheint, findet sie in dem Vorkämpfer der via antiqua
einen erbitterten Gegner. Meister Eckehart, die ketzerischen Straß-
burger Begharden von 1317, die Waldenser und die verfluchten
Wiklifiten stehen für ihn alle auf einer Linie der Verdammnis2.
1 U. B. II 375, 476. — Ferner: Protest. Realencykl. XXI, 131 ff. Mest-
werdt 116.
2 Höchst interessant zeigt sich auch die Verständnislosigkeit des gelehrten
Scholastikers für die praktisch-religiöse Seite dieser radikalen Mystik in
einem Briefe Joh. Wencks an Abt Joh. v. Gelnhausen, dessen Bruder, von
mystisch-asketischen Ideen getrieben, das abgescheiden leben eines waltbruders