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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0143
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Studien zur Spätscholastik. II.

143

Theologie jetzt noch einmal zur Schulbildung führte1 und in zahl-
reichen Kommentaren, Polemiken und Auszügen der gelehrten Welt
als das unübertreffliche Muster wahrer Philosophie und Theologie
gepriesen wurde. Die Erneuerung der hochscholastischen Systeme
durch Dionysius Rickel hat diesem Compilator in der katholischen
Restaurationsbewegung des 16. Jahrhunderts ein nachträgliches An-
sehen verschafft, das in Erstaunen setzt; inunzähligenDruckauflagen
wurden seine Schriften in der Kirche der Gegenreformation ver-
breitet. Aber diese großen Erfolge gehörten einer viel späteren
Epoche an und sind zum guten Teil gewiß erst aus der Rück-
wirkung gegen die kirchliche Revolution Luthers zu erklären. Im
15. Jahrhundert darf man sich die unmittelbare Wirkung der kirch-
lichen Restaurationsbewegung auf das deutsche kirchliche Leben
nicht übertrieben groß vorstellen. Vor allem nicht die Wirkung
der wissenschaftlichen Restauration auf den Universitäten. Darf
man den Kartäuser Dionys der via antiqua überhaupt im vollen
Sinne zuzählen ? Er hat an der Kölner Universität gelernt und
die Grade erworben, aber nicht längere Zeit an Universitäten
gelehrt. Sein Leben überragte an bedeutender Wirksamkeit bei
weitem die Stellung eines durchschnittlichen deutschen Hochschul-
lehrers; die stickige Luft der deutschen Schulstube hat ihn nicht
in ihrem Bann gehalten. Für die freie Größe seiner Gesinnung
spricht sein intimes Verhältnis zu dem großen Cusaner, den unser
Heidelberger Magister zeternd als Ketzer verschrie. So wird man
sehr ernstlich Bedenken tragen müssen, diesen Mann bloß um
seiner — am Niederrhein überdies traditionellen — thomistischen
Prinzipien willen ohne weiteres zu einem Schulhaupt der via anti-
qua zu stempeln. Die eigentliche kirchenhistorische Bedeutung des
Neuthomismus beruht überhaupt nicht auf seiner Wirksamkeit in
Deutschland, sondern in den romanischen Ländern, insbesondere
in Spanien. Hier erwies er sich in der Tat als eines der wirksam-
sten Hilfsmittel jener konservativen Bestrebungen, die auf dem
Konzil der Gegenreformation, in Trient, zum Ausdruck und zu
welthistorischer Wirkung kamen. Die Frage, ob und inwiefern der
Ursprung dieses spanischen Neuthomismus unmittelbar mit der
geistigen Bewegung in Deutschland, Belgien und Frankreich zu-
sammenhängt, die uns hier beschäftigt hat, ist meines Wissens noch
1 Über das Vordringen der neuthomistischen Bewegung bis nach Leipzig
seit der Mitte des Jahrhunderts vgl. das manuale scholarium und meine oben
S. 15 angekündigte Sonderabhandlung.
 
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