Zur Gründungsgeschichte der Universität Neapel.
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liehen Antlitzes das Leben beruht, und seine Gnade wirkt wie ein
Abendregen. Dies beides haben wir vorlängst1 an unserm kaiser-
lichen Herrn erfunden. Daher war unser Leben gesichert. Nun
aber bat durch Schuld unserer Sünden unser Herr sein Angesicht’
von uns gewandt und will sich nicht mehr kümmern um den Wein-
berg, den er gepflanzt hat, zu dessen Zerstörung viele Nebenbuhler
ihre Hände ausstrecken und ihn wie Füchslejn verwüsten, nicht
achtend des Unrechts, das dem Durchlauchtigsten geschähe, wenn
in so kurzer Zeit die edle Studienpflanzung zertrümmert würde.
Siehe, an uns erfüllt sich jenes Prophetenwort: ‘Nach Ägypten
hinab ist mein Volk gezogen, um dort als fremde Siedler zu leben,
und Assur hat gegen selbiges unbillig Ränke geschmiedet.’ Denn
berufen zu der wonnigsten, ach vielmehr widrigsten2 Stadt Neapel,
gedenken wir der vergangenen Bedrängnis und können uns für
die Zukunft nichts anderes gewärtigen, als daß wir frohnden mit
Ziegeln und Stroh.“
So können nur die bei der Gründung nach Neapel berufenen
Universitätsmitglieder selbst schreiben, soweit sie noch in der Hoff-
nung auf bessere Zeiten in den Mauern der Stadt zurückgeblieben
waren, — denn der eine oder andere dürfte sich gewiß, wie die
Hauptzugkraft der Juristen Roffred von Benevent, der damals in
päpstliche Dienste trat, bereits eine andere Stellung gesucht haben3.
In erster Linie wird man an die Universitätslehrer zu denken haben;
da jedoch in einer Stadt wie Neapel trotz des erloschenen Studiums
auch ein gewisser Rest von Scholaren verblieben sein muß, die
Unterschiede zwischen beiden Gruppen im Mittelalter überhaupt
nicht so ausgeprägt waren wie heutzutage, und da ferner auch bei
der Störung von 1239 sich Magister und Scholaren an den Kaiser
gewandt haben4, so dürfte man deren Vereinigung wohl auch bei
der Ab Sendung unseres Schreibens annehmen.
Man hört aus den angeführten Zeilen die tiefe Enttäuschung
1 Zum richtigen Verständnis ist zu beachten, daß nach damaligem
Sprachgebrauch in hactenus nicht das unmittelbare Heranreichen an die Gegen-
wart liegt.
2 So läßt sich das Wortspiel amenissimam—amarissimam annähernd
wiedergeben. Mit dem Beiwort ,,amenissimam“ wird deutlich auf Friedrichs
Einladungsschreiben von 1224, Reg. Imp. V, 1537 zurückgegriffen. Es kehrt
auch in den späteren Wiederholungen der Einladung wieder.
3 Vgi. H. Niese, Hist. Zeitschr., Bd. 108, S. 522, Anm. 1: zwischen 1231
und 1234 nach Ferretti in Studi medievali III, 261.
4 Vgl. Reg. Imp. V, 2556 vom 14. Nov. 1239.
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liehen Antlitzes das Leben beruht, und seine Gnade wirkt wie ein
Abendregen. Dies beides haben wir vorlängst1 an unserm kaiser-
lichen Herrn erfunden. Daher war unser Leben gesichert. Nun
aber bat durch Schuld unserer Sünden unser Herr sein Angesicht’
von uns gewandt und will sich nicht mehr kümmern um den Wein-
berg, den er gepflanzt hat, zu dessen Zerstörung viele Nebenbuhler
ihre Hände ausstrecken und ihn wie Füchslejn verwüsten, nicht
achtend des Unrechts, das dem Durchlauchtigsten geschähe, wenn
in so kurzer Zeit die edle Studienpflanzung zertrümmert würde.
Siehe, an uns erfüllt sich jenes Prophetenwort: ‘Nach Ägypten
hinab ist mein Volk gezogen, um dort als fremde Siedler zu leben,
und Assur hat gegen selbiges unbillig Ränke geschmiedet.’ Denn
berufen zu der wonnigsten, ach vielmehr widrigsten2 Stadt Neapel,
gedenken wir der vergangenen Bedrängnis und können uns für
die Zukunft nichts anderes gewärtigen, als daß wir frohnden mit
Ziegeln und Stroh.“
So können nur die bei der Gründung nach Neapel berufenen
Universitätsmitglieder selbst schreiben, soweit sie noch in der Hoff-
nung auf bessere Zeiten in den Mauern der Stadt zurückgeblieben
waren, — denn der eine oder andere dürfte sich gewiß, wie die
Hauptzugkraft der Juristen Roffred von Benevent, der damals in
päpstliche Dienste trat, bereits eine andere Stellung gesucht haben3.
In erster Linie wird man an die Universitätslehrer zu denken haben;
da jedoch in einer Stadt wie Neapel trotz des erloschenen Studiums
auch ein gewisser Rest von Scholaren verblieben sein muß, die
Unterschiede zwischen beiden Gruppen im Mittelalter überhaupt
nicht so ausgeprägt waren wie heutzutage, und da ferner auch bei
der Störung von 1239 sich Magister und Scholaren an den Kaiser
gewandt haben4, so dürfte man deren Vereinigung wohl auch bei
der Ab Sendung unseres Schreibens annehmen.
Man hört aus den angeführten Zeilen die tiefe Enttäuschung
1 Zum richtigen Verständnis ist zu beachten, daß nach damaligem
Sprachgebrauch in hactenus nicht das unmittelbare Heranreichen an die Gegen-
wart liegt.
2 So läßt sich das Wortspiel amenissimam—amarissimam annähernd
wiedergeben. Mit dem Beiwort ,,amenissimam“ wird deutlich auf Friedrichs
Einladungsschreiben von 1224, Reg. Imp. V, 1537 zurückgegriffen. Es kehrt
auch in den späteren Wiederholungen der Einladung wieder.
3 Vgi. H. Niese, Hist. Zeitschr., Bd. 108, S. 522, Anm. 1: zwischen 1231
und 1234 nach Ferretti in Studi medievali III, 261.
4 Vgl. Reg. Imp. V, 2556 vom 14. Nov. 1239.