Die griechische Tefnutlegende.
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Aber schon in dem demotischen Text tritt das ganz zurück; selbst
die Errettung der Göttin aus der ihr in Theben drohenden Ge-
fahr dient nur dazu, die Lehre einer Fabel zu erläutern. Der
Mythos ist moralisiert und zum Träger einer Anzahl von Reden
und besonders von Fabeln geworden, wie sie das kleine Volk auch
in Ägypten liebt1; die Fabeln, die dadurch fast zu Gleichnisreden
werden2, treten als „die kleinen Reden“ in den Mythos, der offen-
bar als „die große Rede“ (λόγος), die Rahmenerzählung gedacht
ist. Dabei zeigen, wie ich beiläufig bemerke, die für den Vor-
tragenden bestimmten Bemerkungen, wie „seine Stimme ebenso“,
im Ägyptischen, wie stark noch die Bestimmung für den münd-
lichen Vortrag empfunden wird, die diesen λόγοι ja ursprünglich
immer anhaftet; daß der griechische Übersetzer sie ebenso wie die
erklärenden Zusätze (Spiegelberg, S. 56) wegläßt, ist begreiflich:
er schreibt, wie wir sehen werden, wirklich ein Buch. Die Fabeln
und Reden selbst aber wollen vor allem auch ergötzen; das zeigen,
genau wie in den späten Kunstmärchen, die Bemerkungen über
die Ergötzung, die sie der Hörerin bringen. Bewußte Kunst zeigt
sich in der Ausführung sowohl der kurzen Geschichten, z. B. der
von den beiden Schakalen und dem Löwen, wie in der griechisch
leider nicht erhaltenen breit und pathetisch ausgeführten Erzählung
von dem Vertrag zwischen Geier und Katze (Fuchs), die Archi-
lochos dichterisch ausgestaltet hat. So ist der Mythos schon in
dem Original zur Unterhaltungsliteratur geworden. Dem grie-
chischen Übersetzer ist er das natürlich noch viel mehr. Für seine
Leser verbindet sich mit dem Mythos kein religiöses Empfinden,
und wenn er auch im Dialog nicht „der kleine Hundsaffe“, sondern
„Hermes“, nicht „die äthiopische Katze“, sondern „die Göttin“
sagt, so appelliert er doch auch damit nicht an ein solches, sondern
motiviert lediglich, daß diesen Reisenden allerlei Seltsames be-
gegnet. Um so mehr Gewicht legt er auf die moralische Tendenz;'
die Reden über die Vaterlandsliebe oder das Walten einer gött-
lichen Vergeltung entwickeln starkes Pathos. Hier liegt doch noch
tieferes Empfinden und zugleich schriftstellerischer Ehrgeiz vor.
1 Ich verweise auf die kleine Sammlung demotischer Fabeln auf den in Straß-
burg und Berlin bewahrten Scherben dreier Amphoren, Spiegklberg, Demotische
Texte auf Krügen, 1911 und jetzt P. Viereck in der Zeitschrilt 'Der Sammler'
1922, S. 20.
2 Vgl. jetzt W. Aly, Volksmärchen, Sage und Novelle bei Herodot und seinen
Zeitgenossen, S. 10 und 256, und H. Gressmann, Vom reichen Mann und armen
Lazarus, Abh. d. Preuß. Akad. 1918.
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Aber schon in dem demotischen Text tritt das ganz zurück; selbst
die Errettung der Göttin aus der ihr in Theben drohenden Ge-
fahr dient nur dazu, die Lehre einer Fabel zu erläutern. Der
Mythos ist moralisiert und zum Träger einer Anzahl von Reden
und besonders von Fabeln geworden, wie sie das kleine Volk auch
in Ägypten liebt1; die Fabeln, die dadurch fast zu Gleichnisreden
werden2, treten als „die kleinen Reden“ in den Mythos, der offen-
bar als „die große Rede“ (λόγος), die Rahmenerzählung gedacht
ist. Dabei zeigen, wie ich beiläufig bemerke, die für den Vor-
tragenden bestimmten Bemerkungen, wie „seine Stimme ebenso“,
im Ägyptischen, wie stark noch die Bestimmung für den münd-
lichen Vortrag empfunden wird, die diesen λόγοι ja ursprünglich
immer anhaftet; daß der griechische Übersetzer sie ebenso wie die
erklärenden Zusätze (Spiegelberg, S. 56) wegläßt, ist begreiflich:
er schreibt, wie wir sehen werden, wirklich ein Buch. Die Fabeln
und Reden selbst aber wollen vor allem auch ergötzen; das zeigen,
genau wie in den späten Kunstmärchen, die Bemerkungen über
die Ergötzung, die sie der Hörerin bringen. Bewußte Kunst zeigt
sich in der Ausführung sowohl der kurzen Geschichten, z. B. der
von den beiden Schakalen und dem Löwen, wie in der griechisch
leider nicht erhaltenen breit und pathetisch ausgeführten Erzählung
von dem Vertrag zwischen Geier und Katze (Fuchs), die Archi-
lochos dichterisch ausgestaltet hat. So ist der Mythos schon in
dem Original zur Unterhaltungsliteratur geworden. Dem grie-
chischen Übersetzer ist er das natürlich noch viel mehr. Für seine
Leser verbindet sich mit dem Mythos kein religiöses Empfinden,
und wenn er auch im Dialog nicht „der kleine Hundsaffe“, sondern
„Hermes“, nicht „die äthiopische Katze“, sondern „die Göttin“
sagt, so appelliert er doch auch damit nicht an ein solches, sondern
motiviert lediglich, daß diesen Reisenden allerlei Seltsames be-
gegnet. Um so mehr Gewicht legt er auf die moralische Tendenz;'
die Reden über die Vaterlandsliebe oder das Walten einer gött-
lichen Vergeltung entwickeln starkes Pathos. Hier liegt doch noch
tieferes Empfinden und zugleich schriftstellerischer Ehrgeiz vor.
1 Ich verweise auf die kleine Sammlung demotischer Fabeln auf den in Straß-
burg und Berlin bewahrten Scherben dreier Amphoren, Spiegklberg, Demotische
Texte auf Krügen, 1911 und jetzt P. Viereck in der Zeitschrilt 'Der Sammler'
1922, S. 20.
2 Vgl. jetzt W. Aly, Volksmärchen, Sage und Novelle bei Herodot und seinen
Zeitgenossen, S. 10 und 256, und H. Gressmann, Vom reichen Mann und armen
Lazarus, Abh. d. Preuß. Akad. 1918.