Die griechische Tefnutlegen.de·.
27
dann im Islam zu reinen Märchen werden, in der christlichen
Bearbeitung aber noch als religiös empfunden werden.1 In diesen
Zusammenhang hatte ich in dem Schriftchen „Amor und Psyche
bei Apuleius“ (1912) die durch Ludwig Fuiedländers Behandlung
für die gesamte Märchenforschung wichtig gewordene Erzählung
jenes manierierten Schriftstellers gerückt und bald danach die Be-
weise für die Existenz eines entsprechenden Mythos aus der helle-
nistischen Kleinkunst erbracht (Sitzungsber. d. Heidelberger Aka-
demie 1914, Abh. 10). Da sich inzwischen auch die Heimat der
orientalischen Göttin Psyche und die an sie geknüpften religiösen
Vorstellungen nachweisen ließen2, ist der Beweis wohl endlich ab-
geschlossen und die zu Unrecht herrschende Vorstellung einer
durchgehenden Priorität des Märchens dem Mythos gegenüber
wenigstens erschüttert, für weitere methodische Forschung die
Bahn freigemacht.
Kehren wir zu den Einzelheiten der Hellenisierung zurück.
Von ägyptischen Götternamen ist in dem erhaltenen Stück einzig-
em Beiname des Gottes Schu beibehalten, vielleicht, weil der Ver-
fasser einen entsprechenden griechischen Namen nicht finden
konnte und durch eine irreführende Bezeichnung des Bruders
nicht falsche Vorstellungen von der Göttin erwecken wollte, die
er namenlos lassen mußte. Phre ist überall Zeus, nur einmal, wo
eine allbekannte Homerstelle den Übersetzer beeinflußt (VI, 60,
vgl. II. 3, 177), Helios.3 Der Seh-Vogel wird zu einer personifi-
zierten "Ορασις, der wohl eine Ακοή entsprochen haben wird.
Nicht Geruch und Gehör des Hauptgottes, sondern sein Pneuma
ist in dem Ei.4 Rein giiechischer Zusatz ist die scherzhafte An-
spielung auf die Sage von Oeclipus und der Sphinx. Wichtiger
als diese kleinen Züge ist die Umgestaltung des Denkens, z. B. in
dem Preise der Heimat (Kol. IV): statt der echt ägyptisch emp-
1 Einiges darüber bietet die Festschrift f. Fr. C. Andreas. Ergänzungen
gibt mein Aufsatz in den Religionswissenschaftlichen Versuchen und Vorarbeiten
XIX, 2.
2 Ebenda 1917, Abh. 10 und in dem Buch „Das iranische Erlösungsmyste-
rium“ 1921.
3 Dem Ägypter der hellenistischen Zeit fallen beide Begriffe zusammen.
4 Wieder entspricht freilich eine ägyptische Vorstellung, vgl. Brugsch, Reli-
gion und Mythologie der alten Ägypter, S. 693: „Der dem Ei den Odem spendet“
und in dem Sonnenhymnus Amenophis’ IV (Ermann: Ägypt. Religion2, S. 80): „Das
Junge im Ei spricht schon in der Schale; du schenkst ihm in ihr Luft, um es am
Leben zu erhalten“.
27
dann im Islam zu reinen Märchen werden, in der christlichen
Bearbeitung aber noch als religiös empfunden werden.1 In diesen
Zusammenhang hatte ich in dem Schriftchen „Amor und Psyche
bei Apuleius“ (1912) die durch Ludwig Fuiedländers Behandlung
für die gesamte Märchenforschung wichtig gewordene Erzählung
jenes manierierten Schriftstellers gerückt und bald danach die Be-
weise für die Existenz eines entsprechenden Mythos aus der helle-
nistischen Kleinkunst erbracht (Sitzungsber. d. Heidelberger Aka-
demie 1914, Abh. 10). Da sich inzwischen auch die Heimat der
orientalischen Göttin Psyche und die an sie geknüpften religiösen
Vorstellungen nachweisen ließen2, ist der Beweis wohl endlich ab-
geschlossen und die zu Unrecht herrschende Vorstellung einer
durchgehenden Priorität des Märchens dem Mythos gegenüber
wenigstens erschüttert, für weitere methodische Forschung die
Bahn freigemacht.
Kehren wir zu den Einzelheiten der Hellenisierung zurück.
Von ägyptischen Götternamen ist in dem erhaltenen Stück einzig-
em Beiname des Gottes Schu beibehalten, vielleicht, weil der Ver-
fasser einen entsprechenden griechischen Namen nicht finden
konnte und durch eine irreführende Bezeichnung des Bruders
nicht falsche Vorstellungen von der Göttin erwecken wollte, die
er namenlos lassen mußte. Phre ist überall Zeus, nur einmal, wo
eine allbekannte Homerstelle den Übersetzer beeinflußt (VI, 60,
vgl. II. 3, 177), Helios.3 Der Seh-Vogel wird zu einer personifi-
zierten "Ορασις, der wohl eine Ακοή entsprochen haben wird.
Nicht Geruch und Gehör des Hauptgottes, sondern sein Pneuma
ist in dem Ei.4 Rein giiechischer Zusatz ist die scherzhafte An-
spielung auf die Sage von Oeclipus und der Sphinx. Wichtiger
als diese kleinen Züge ist die Umgestaltung des Denkens, z. B. in
dem Preise der Heimat (Kol. IV): statt der echt ägyptisch emp-
1 Einiges darüber bietet die Festschrift f. Fr. C. Andreas. Ergänzungen
gibt mein Aufsatz in den Religionswissenschaftlichen Versuchen und Vorarbeiten
XIX, 2.
2 Ebenda 1917, Abh. 10 und in dem Buch „Das iranische Erlösungsmyste-
rium“ 1921.
3 Dem Ägypter der hellenistischen Zeit fallen beide Begriffe zusammen.
4 Wieder entspricht freilich eine ägyptische Vorstellung, vgl. Brugsch, Reli-
gion und Mythologie der alten Ägypter, S. 693: „Der dem Ei den Odem spendet“
und in dem Sonnenhymnus Amenophis’ IV (Ermann: Ägypt. Religion2, S. 80): „Das
Junge im Ei spricht schon in der Schale; du schenkst ihm in ihr Luft, um es am
Leben zu erhalten“.