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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1923, 7. Abhandlung): Zur Frage der Plautinischen Cantica — Heidelberg, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.38048#0014
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14

Otto Immisch:

Da haben wir auf der tragischen Seite ganz das, was wir brauchen:
Verzicht auf eine durchgeführte und geschlossene Handlung, indem
die vorgeformte ύπόθεσις nur noch den Rahmen abgibt für eine
freie Folge von pathetischen Einzelbildern. Was tat da
eigentlich der Urheber ? τραγικήν ύπόθεσιν λαβών ύπεκρίθη κατά
την ιδίαν αγωγήν καί διάθεσιν! Es sei beiläufig auch an die Anwen-
dung des Verfahrens zu rhetorischer Übung erinnert, worauf kürz-
lich Reitzenstein (GGA 1922, 189ff.) hinwies, indem er im Frei-
burger Mazedonierpapyrus eine solche Ausarbeitung vermutete, auf
der Grundlage eines hellenistischen historischen Trauerspiels, wobei
es galt rem argumentumque teuere, im übrigen aber die „Tragödie
in abgekürzter, gewissermaßen konzentrierter Form“ frei nachzu-
schaffen (194). Dies Verfahren der Schule ist schwerlich ohne
innern Zusammenhang mit den entsprechenden Neigungen der
poetischen Literatur, die sich genau in der gleichen Weise auch auf
dem Gebiete der nicht dramatischen Dichtung vorfinden. So be-
gegnen wir der „gelösten“ Einzelheit in gewissen Theocritea, und
in deren Verband ist uns im Herakles auch ein kostbares episches
Beispiel überliefert. Da ist die Geschichte vom Augiaswerk wieder-
um nur noch Hypothesis, Hintergrund, oder auch Rahmen für eine
Folge von drei. Einzelbildern, die ursprünglich alle sogar auch
Sondertitel hatten. Es setzt so ein, daß der Vortragende notwendig
sein ένθεν ελών mit einem Vorspruch über Thema und Situation
erläutern mußte. Das έργον selber kommt gar nicht zur Darstel-
lung, vielmehr das, was die Rhetorik seine περίστασις nennen
würde; das hat sich verselbständigt, und nun erschöpft sich alles
in der Einzelszene mit der echt hellenistischen Freude am liebevoll
Besonderten. Vielleicht war ein zweites Beispiel dieser Art das sehr
eigne epische Fragment „auf dem Landgut des Diomedes“ in den
Berliner Klassikertexten (V 1, 67ff.), eine Auffassung, zu der auch
von Wilamowitz hinneigt. Jedenfalls ist sicher und für die Ver-
breitung dieser allgemeinen Geschmacksrichtung bezeichnend, daß
es epische Gegenstücke gab zu jener aufgelösten hellenistischen
Dramatik, unter deren Einfluß wir uns auch die „kontaminieren-
den“ und dem Singspiel zugeneigten Römer zu denken haben.
Mehr noch, es scheint mir sicher, daß dieser Zusammenhang
auch für uns noch in einem positiven Zeugnis auf römischer Seite
zutage tritt. Ich meine das berühmte oder berüchtigte Kapitel
VII 2 des Livius, mit dem man sich wohl wieder befassen darf,
nachdem es in letzter Zeit aus dem Verruf der bloßen Willkür-
 
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