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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1923, 7. Abhandlung): Zur Frage der Plautinischen Cantica — Heidelberg, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.38048#0020
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Otto Immisch:

vieren sollen, zumal in diesem Fall der seelische Vorgang durch
Mittel der Darstellungskunst unmöglich hinreichend verdeutlicht
werden konnte. — Weiterhin trifft nun die ausgesendete Magd
Crocotium auf den gesuchten Parasiten (I 3), der gerade mit einem
verzweifelten Monologe1 des Wegs daherkommt und nach einer ganz
skurrilen und ethologischen Szene, in der handlungsmäßig rein nichts
geschieht, die Bestellung erhält, zur Herrin zu kommen. Während
er noch überlegt, was das bedeuten mag (264ff.), wird seine Sen-
dung schon überflüssig durch das Erscheinen des Burschen vom
Hafen. Der kommt (II 1) als servus currens angelaufen, und in
bewegter Szene, erst monodisch, dann mit dem Parasiten, dann
(II 2) mit diesem und der auf sein Klopfen erschienenen Herrin
teilt er schließlich, nicht ohne die üblichen übermütigen Querzüge
des ο ικέτης εύάγγελος, seine große Neuigkeit mit (371): Der Herr
ist da, und zwar mit fabelhaften Reichtümern. Auch der Bruder
ihres Manns ist eingelaufen (390; er fuhr auf einem andern Schiff
416). Neben den Schätzen und einer Anzahl mitgebrachter Musik-
mädchen (380) hat der Bursch angeblich auch mitgebrachte Para-
siten gesehen. Das ist, wie Leo sah, vom Erzähler erfunden, um
den anwesenden Parasiten zu ärgern; Parasiten sind nicht wie
Dirnen Kaufware. Es wirkt indessen; der auch von der Matrone
kühl und ablehnend behandelte Parasit geht traurig ab, will sich
auf die so unverhoffte Konkurrenz einstudieren. — Seltsamerweise
ist es nun aber von diesem Punkte an mit jedem weiteren Anteil
der Frauen an der Handlung völlig aus; sie erscheinen überhaupt
nicht wieder. Und doch waren sie kurz vorher in breitester und
liebevoll ausmalender Exposition aufs nachdrücklichste eingeführt,
nicht ohne eine sehr bestimmte Differenzierung ihrer Charaktere,
die uns auf Folgerungen daraus gespannt hatte. Dieses Verschwin-
den ist eins der größten unter den Rätseln des Stichus und wirkt
um so befremdender, als es sich ja um ein Schwesternpaar handelt,
das eingeführte Penelopemotiv mithin in stark aufgetragener Ver-
doppelung eingesetzt hatte, während die Komödie, wie sie uns vor-

1 Dieser Monolog, in dem schon Leo die „Auktion“ (193ff.) als römisch
erkannte, ist in seiner plautinischen Klitterung von Fraexkel ausgezeichnet
analysiert worden. Doch wenn er die Personifikation der maier Farnes für
„plautinisch“ erklärt, weil für die attische Komödie weder Πείνα in Betracht
kommt, noch das dorische ή Λιμός, so ist zu sagen, daß ή Λιμός doch auch
hellenistisch ist. Da stehen wir wieder einmal vor der Möglichkeit, daß ein
, ,Plautinum“ sehr wohl aus einer hellenistischen Hypothesis herstammen kann.
 
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