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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1923, 7. Abhandlung): Zur Frage der Plautinischen Cantica — Heidelberg, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.38048#0040
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40

Otto Im misch:

Einzelheiten so, wie es Fraenkel annimmt: eine strukturelle und
tiefere Bedeutung von den Grundlagen her glaube ich ihm nicht
zusprechen zu dürfen. Alles, was wir zu erkennen vermochten,
führt viel eher auf das umgekehrte Verhältnis: in den Gemeinsam-
keiten der Formgebung hatte die Komödie bei den Römern den
Vortritt. AVie der Dialogvers metrisch dem komischen griechischen
näher steht als dem tragischen, so bewegt sich, soviel ich sehen kann
(das Verhältnis müßte im einzelnen näher untersucht werden), auch
in der Versohleifung die römische τραγική λέξις ganz in demselben
,,Konversationalismus“ wie die vom Mimus angeregte Komödie.
Es genügen Beispiele wie quem ego nefrendem alui läcteam immulgens
opem (Liv. tr. 38) oder ne Ule mei feri ingeni < iram'y atque cininii
acrem acrimöniam (Naev. tr. 35), oder ein ennianiscber Oktonar wie
caerulea incinctae cingui incedunt, eircumstant cum ardentibus taedis
(tr. 28). Wenn man bedenkt, daß selbst Plautus, wo ihm eine Er-
höhung des Tones oder ein gewisser oratorischer Stil angemessen
scheint (in Prologen, Eingängen und auch sonst gelegentlich), sich
streckenweise bestimmte Fesseln im Verschieden anlegt und wie wir
da überall sofort fühlbar einen erfreulichen Eindruck von gemessener
Würde und sonorem Wohlklang empfangen, so können wir uns
nur sehr schwer vorstellen, wie denn im tragischen Vortrag jenes
seiner Gravität durchaus abträgliche Element des Konversationalis-
mus gewirkt hat und wie es mit dem Aufhöhungsbedürfnis der
tragischen Ausdrucksweise überhaupt vereinbar war, welchem doch
sonst die Römer mit den herrlichen Mitteln ihrer monumentalen
Sprache von Anfang an so nachdrücklich gerecht zu werden wußten.
Da liegt also eine Disharmonie von der gleichen Art vor, wie das
Preisgeben des kunstbewußten und darum festen griechischen Unter-
schieds zwischen den beiden Trimetern. Aber verwischt wurde auch
liier die feine Grenzlinie durch einen Übergriff nicht des Heroischen
ins Biotische, sondern umgekehrt. Nicht von der Tragödie aus
werden wir demnach diese Dinge richtig beurteilen, sondern von
der Komödie her, diese selbst aber nur dann zutreffend, wenn wir
sie nicht lediglich als Übersetzerleistung auffassen und bewerten,
sondern als einen Teil des organischen Nachlebens der klassischen
attischen Komödie, das aber schon begonnen hat zu seinem Urbild
bewußt sich zurückzuwenden. Mindestens die Bahn zu solcher Ver-
knüpfung mit dem Hellenismus zugleich und mit den römischen
Origines scaenicae hatte Leos Lehre über die Cantica freigemacht.
Überlegt man einen der instruktivsten Einzelfälle, die Gasina, wo
 
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