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Bartholomae, Christian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 6. Abhandlung): Zur Kenntnis der mitteliranischen Mundarten, 6 — Heidelberg, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.38948#0046
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Christian Bartholomae.

es müßte da ein anderer Grund vorliegen. Und als solchen führt
er für purna an: . . a cöte de *prna-, on avait des formes
infectees du tirabre u dans *p°ru, *p°rw- qui avaient le meine
sens d’ 'abondance' et de 'plenitude5“. So viel ich sehe, kommt
ein dem ap. paruv 'viel5 entsprechendes Wort im M- und NSoghd.
nicht vor; seine Einwirkung auf das Wort für 'voll’ müßte sich
also in früher Zeit vollzogen haben. Ich sehe jedoch in ms.
purna die ganz regelrechte Entwicklung eines uriran. *prna-, die
ebenso wie in np. purr, usw., durch den vorausgehenden Labial
bedingt war, und sehe es für irrig an, daß Gauthiot aaO. 92, 126
’PRS5 cer fragte' = ns. apurs mit sonantischem r statt mit ur
wiedergegeben wissen will.1) Richtig aber ist es, daß er die engen
9 Um das u in ms. murtak 'gestorben5 zu erklären, ist Gauthiot nach
seiner Theorie, die den Einfluß der vorausgehenden Labialis leugnet, gezwungen,
das ksl. mrütvü zum Vergleich heranzuholen; dem folgenden u, sei das u zu
danken. Ob aus einem (sonst nirgends bezeugten) ar. *mrtua- ein soghd. murt0
hervorgehen konnte, weiß ich nicht; im Fers, würde es über *mur$ zu *muhl
geworden sein, s. jAw. psrafrwö ~ mpB. puhl, oben S. 16 No. 3. Aber es ist doch
ganz unwahrscheinlich, daß das Soghd. für 'gestorben, tot5 ein andres Wort
sollte geerbt haben, als die übrigen iran. Sprachen, die mit ihren Wörtern
np. murd, ba!. murta, msak. mudd, usw., isk. mul, alle auf ar. *mrt&- (= ai.
mrtä-) hinweisen.
Den Anlaß zu Gauthiots abweichender Theorie hat jedenfalls das Wort
ms., msS. VYRK virk 'Wolf5 gebildet. Das auffällige i im selben Wort zeigt
auch das msak. birggd, s. Leumann BuddhLit. 1. 78*); das Sakische aber nimmt
ganz unzweifelhaft an dem Wandel von ar. r zu ur hinter Labialen teil;
s. msak. pulsämd 'wir fragen5, mudd 'tot5, bulysa (d. i. bulz°) ~ ai. brhdnt-.
Wie soll man das i erklären?
Die Anhänger der Umlauts- oder Epenthesetheorie werden vielleicht das
ai. Femininum vrki- zuhilfe rufen; das daraus hervorgegangene *uirk habe
das maskuline *uurk° (= np. gurg) verdrängt. Das wäre ja an sich ganz gut
denkbar; nur müßte erst die Theorie begründet sein.
Leider läßt sich nicht feststellen, ob nicht etwa *uir-, *bir- für ar. *ur-
auch sonst vorkommt. Andre Wörter mit dem selben ar. *ur- — s. np. gurd,
gurda, gusn, gurs, gul — sind mir aus dem MSoghd. und MSak. nicht bekannt.
Würde sich bei weiterem Stoffzuwachs ergeben, daß in einem der beiden
Dialekte oder aber in beiden ar. ur- auch sonst durch vir0, bez. bir° — ar. u-
vor i wird im MSak. regelmäßig zu b-, s. Reichelt IdgJb. 1. 28 — vertreten ist,
so wäre die Erscheinung für diesen Dialekt oder aber für beide rein lautlich
zu deuten. Ich würde dann einen Dissimilationsvorgang annehmen. Die Ab-
neigung gegen die Lautverbindung uu — die übrigens nirgends ursprachlich
ist, s. IF. 31. 36 No. 2 —, zeigt sich ja auch anderswo; so im Alnd.**), Lat.,
AGerm., die u vor u fallen lassen. Die Umfärbung des Sonanten — zu i
oder auch ü, was sich kaum wird entscheiden lassen — wäre doch eben nur
ein anderes Mittel, die unbequeme Aufeinanderfolge der Laute u und u zu
vermeiden.

*) Das oss. beräg 'Wolf5 empfehle ich ganz auszuschalten, trotz Gauthiot,
der für das msak. virk darauf verweist. Ich kann es mit ai. vfka-, usw., auf
keine Weise vereinigen; ich würde dafür *varg erwarten.
**) S. auch Sommer Stand&Aufg. 25307 über dissimilatorische Erscheinungen
im Veda bei nicht unmittelbarer Aufeinanderfolge von «-Lauten.
 
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