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Saxl, Fritz [Hrsg.]; Nationalbibliothek <Wien> [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1925/26, 2. Abhandlung): Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften des lateinischen Mittelalters, 2: Die Handschriften der National-Bibliothek in Wien — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38875#0041
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Einleitung.

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gestreckten Händen Symbole der Elemente. Zu seinen Häupten ist
der Osten1. Die ganze Figur ist in einen Rhombus ein- und diesem
wieder ein Rechteck umgeschrieben, die Gestalt des Menschen,
dessen Teile, wie die Reischrift lehrt, aus den vier Elementen
bestehen, erfüllt also mit ausgestreckten Armen ein auf die Spitze
gestelltes Viereck.
Verwandt und doch dem Aussehen nach recht verschieden ist
das Mikrokosmosbild im. Cod. 2357. Hier ist der Mensch nicht mit
ausgestreckten Armen dargestellt, sondern er hält diese gesenkt.
Die Figur ist einem Kreis eingeschrieben, erst diesem ein Quadrat
umgeschrieben. Dennoch lehren die Beischriften, daß auch in
dieser Zeichnung das Verhältnis des Menschen zu den vier Ele-
menten dargestellt ist. Links oben steht Ignis, rechts oben Aer.
Die Erde ist durch eine Blume symbolisiert, die die Beischrift hat:
Flos molem sustentat. Die sonderbaren Streifen, die den Kreis
durchschneiden, enthalten weitere Auslegungen. In quo ignis ut
in aere venti, Ossa ut lapides, Gramina carnes usw.
Diese Zeichnung der Wiener Handschrift ist nur die Kopie
eines viel älteren Vorbildes, von dem uns ein ausgezeichnetes
Exemplar in einer zweiten Handschrift des Klosters Prüfening
(Clm. 13002) erhalten ist2 (Abb. 24). In einem Viereck steht dort der
Mensch ganz aufrecht mit hart von sich gestreckten Armen, deren
Verlängerung Schriftstreifen sind. Hier sind die Beischriften zum
Teil auch richtiger und ausführlicher wiedergegeben, als in der Ko-
pie in Wien. Von der Mikrokosmosdarstellung im Cod. 12600 unter-
scheiden sich diese Bilder nicht nur durch ihre größere Ausführlich-
keit in bezug auf die Darstellung des Verhältnisses des Menschen zu
den Elementen, sondern auch durch die Änderung der Betrachtungs-
momente. In diesen Zeichnungen fehlen die meteorologischen An-
deutungen. Der Mensch wird nicht in Kreuzform stehend ge-
schildert. Kopf, Füße und Häxlde bezeichnen nicht die Welt-
richtungen und Winde, die Beziehung zum Überirdischen wird

1 Eine eingehende Beschreibung des Blattes bei Albert Böckler, Die
Regensburg-Prüfeninger Buchmalerei (München 1924), S. 73.
E. Panofsky macht den Verfasser darauf aufmerksam, daß in den
allegorischen Deutungen des Kirchengebäudes der im Osten befindliche Chor
mit dem Kopf des Menschen identifiziert wird. Vgl. die von Josef Sauer,
Symbolik des Kirchengebäudes (Freiburg i. Br. 1902), S. lll1 zitierten Quellen.
2 Vgl. über diese Handschrift ebenfalls Böckler a. a. O. S. 20ff. und die
dort angegebene ältere Literatur.
 
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