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Saxl, Fritz [Editor]; Nationalbibliothek <Wien> [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1925/26, 2. Abhandlung): Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften des lateinischen Mittelalters, 2: Die Handschriften der National-Bibliothek in Wien — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38875#0044
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Saxl, Astrolog. Hss. II. Bd. Wien.

mäßigkeit durchdrungen, die das Chaos zum Kosmos macht. Für
diese Kombination von qualitativer und quantitativer Entspre-
chung der großen und der kleinen Welt, für die Spekulation über
Harmonie der Masse und der Maße, lassen sich schon ältere Belege
aufweisen. Das Kapitel der arabischen Enzyklopädie der lauteren
Brüder (9. bis 10. Jahrhundert), das charakteristischerweise die
Proportionen des menschlichen Körpers im Bahmen der Musik-
theorie behandelt1, wird von seinem Verfasser dahin zusammen-
gefaßt, „daß die Zusammenfügung der Sphären und ihrer Sterne,
die Masse der Elemente und ihre Produkte, eins zum andern im
vortrefflichsten Verhältnis steht2.“ Auf ein viel früheres Vorkom-
men dieser Verbindung machte aber erst Prof. Warburg den Ver-
fasser aufmerksam. Sie findet sich in den Einleitungsworten des
von Goetze veröffentlichten Textes über Makrokosmos-Mikrokos-
mos aus dem großen Bundahisn. Dort heißt es: „Der menschliche
Körper ist ein Ebenbild der Welt. Denn die Welt ist aus einem
Wassertropfen gemacht; wie es heißt: diese Schöpfung war zuerst
in ihrer Gesamtheit ein Wassertropfen. Auch der Mensch ist ganz
aus einem Wassertropfen entstanden. Ebenso wie die Welt gerade
so breit wie lang ist: geradeso ist auch der Mensch, jeder einzelne,
so groß wie seine eigne Armweite. Der Rücken ist wie der
Himmel, das Fleisch wie die Erde, die Knochen wie die Berge,
die Adern wie die Flüsse, das Blut im Leibe wie das Wasser im
Meere, der Bauch wie das Meer, das Haar wie die Vegetation,
die Stellen, wo das Haar reichlich gewachsen ist, wie Dickicht
und das Mark des Leibes wie Metall3.“
Warburg hat nun weiter als erster die Wichtigkeit dieser
Stelle für die Geschichte der Kunsttheorie erkannt. Die Vorstel-
lung nämlich, daß die Länge des Menschen mit seiner Armweite
übereinstimmt, hat, losgelöst von der Elementenlehre, ihren Platz
im rein ästhetischen Denken der Antike. In dem berühmten
1 Noch in einer Handschrift des 13. Jahrhunderts finden wir eine Dar-
stellung des Aer mit den Winden als Element der Musik, in der die Haupt-
figur so konstruiert ist, daß sie einem Kreis eingeschrieben erscheint. Abb.
bei Didron, Annales archeologiques I (1844).
2 Friedrich Dieterici, Die Propaedeutik der Araber im zehnten Jahr-
hundert (Berlin 1865) S. 138.
3 Albrecht Götze, Persische Weisheit in griechischem Gewände. Ein
Beitrag z. Gesch. d. Mikrokosmos-Idee (Zeitschr. f. Indologie und Iranistik II.,
1923, S. 60ff.).
 
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