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Heinrich Mitteis:
setzte erst ein, nachdem der landrechtliche mit der Ächtung seinen
vorläufigen Abschluß erreicht hatte1. Vorläufig deshalb, weil wir
die später noch genauer zu besprechende Oberachterklärung als
zum landrechtlichen Prozeß gehörig betrachten müssen; aber diese
liegt überhaupt erst nach Ausstellung unserer Urkunde, und bis zu
ihr hat keine weitere Prozeßhandlung im landrechtlichen Verfahren
stattgefunden. Es ist kaum verständlich, wie man so lange an der
Auffassung festhalten konnte, land- und lehnrechtliches Verfahren
wären überhaupt nicht geschieden, sondern miteinander verquickt
gewesen (so Waitz, Weiland) oder wenigstens nebeneinander
hergelaufen (so noch Niese).
2. Von beiden Prozessen ist ausdrücklich berichtet, daß der
Angeklagte geladen wurde und auf die Ladung hin ausblieb. Dabei
ergibt sich die merkwürdige Unstimmigkeit, daß die Urkunde beim
landrechtlichen Prozeß nur von einer einmaligen Ladung, beim
lehnrechtlichen von einer dreimaligen (genauer einer Ladung durch
dreimaliges formgerechtes Ladungsschreiben)2 berichtet. Dieser
Punkt ist der Brennpunkt des Streites um die Textgestaltung
unsrer Urkunde. Bekanntlich hat Haller3 die Lösung zu finden
geglaubt, indem er an Stelle des den Nebensatz Nr. 3 beginnenden
,,quia“ ein „trina“ emendieren zu können glaubte, und hat für
diesen „genialen Wurf“4 die schrankenloseste Anerkennung der
Kritik geerntet; ja sogar der so vorsichtige Zeumer nahm das
,,trina“ in den zweiten Druck seiner Quellensammlung auf. Lrei-
lich mußte, wer den guten Tropfen genoß, auch den bösen genießen
1 So auch mit aller Bestimmtheit Haller 372.
2 Edictum für Ladungsschreiben ist m. E. ganz sicher. Daß schriftliche
Ladung damals im Hofgericht vorkam, bezeugt Otto v. Freising II 11 (MG.
Scr. rer. Germ. S. 112) für die Ladung des Welfen und des Babenbergers nach
Goslar 1154: Proinde in oppido Saxoniae Goslaria curiam celebrans utrosque
duces datis edictis evocavit. Von den Mailändern heißt es 1155: Sollemnibus
edictis ad nostrum presenciam citati (Const. I, p. 217). Noch frühere schrift-
liche Ladungen erwähnt Franklin, Reichshofger. II, S. 212, Anm. 2. Vgl.
auch Sächs. Lehnr. 72 § 1: Die koning mut wol degedingen to lenrechte eneme
vorslen over ses weken mit eine brieve unde mit sime ingesegele. Der
genetische Zusammenhang mit der Ladung sub signaculo regis (oben S. 19 A. 4)
ist zu vermuten. Über sigillum citationis vgl. auch Ewald , Siegel- und Wappen-
kunde (1914), S. 29. Schriftliche Ladung nimmt auch an W. Ch. Francke,
Barbarossas Angaben über das Gerichtsverfahren gegen Heinrich den Löwen
(1914), S. 34.
3 S. 404ff.
4 Fehr, ZRG. 32, 561.
Heinrich Mitteis:
setzte erst ein, nachdem der landrechtliche mit der Ächtung seinen
vorläufigen Abschluß erreicht hatte1. Vorläufig deshalb, weil wir
die später noch genauer zu besprechende Oberachterklärung als
zum landrechtlichen Prozeß gehörig betrachten müssen; aber diese
liegt überhaupt erst nach Ausstellung unserer Urkunde, und bis zu
ihr hat keine weitere Prozeßhandlung im landrechtlichen Verfahren
stattgefunden. Es ist kaum verständlich, wie man so lange an der
Auffassung festhalten konnte, land- und lehnrechtliches Verfahren
wären überhaupt nicht geschieden, sondern miteinander verquickt
gewesen (so Waitz, Weiland) oder wenigstens nebeneinander
hergelaufen (so noch Niese).
2. Von beiden Prozessen ist ausdrücklich berichtet, daß der
Angeklagte geladen wurde und auf die Ladung hin ausblieb. Dabei
ergibt sich die merkwürdige Unstimmigkeit, daß die Urkunde beim
landrechtlichen Prozeß nur von einer einmaligen Ladung, beim
lehnrechtlichen von einer dreimaligen (genauer einer Ladung durch
dreimaliges formgerechtes Ladungsschreiben)2 berichtet. Dieser
Punkt ist der Brennpunkt des Streites um die Textgestaltung
unsrer Urkunde. Bekanntlich hat Haller3 die Lösung zu finden
geglaubt, indem er an Stelle des den Nebensatz Nr. 3 beginnenden
,,quia“ ein „trina“ emendieren zu können glaubte, und hat für
diesen „genialen Wurf“4 die schrankenloseste Anerkennung der
Kritik geerntet; ja sogar der so vorsichtige Zeumer nahm das
,,trina“ in den zweiten Druck seiner Quellensammlung auf. Lrei-
lich mußte, wer den guten Tropfen genoß, auch den bösen genießen
1 So auch mit aller Bestimmtheit Haller 372.
2 Edictum für Ladungsschreiben ist m. E. ganz sicher. Daß schriftliche
Ladung damals im Hofgericht vorkam, bezeugt Otto v. Freising II 11 (MG.
Scr. rer. Germ. S. 112) für die Ladung des Welfen und des Babenbergers nach
Goslar 1154: Proinde in oppido Saxoniae Goslaria curiam celebrans utrosque
duces datis edictis evocavit. Von den Mailändern heißt es 1155: Sollemnibus
edictis ad nostrum presenciam citati (Const. I, p. 217). Noch frühere schrift-
liche Ladungen erwähnt Franklin, Reichshofger. II, S. 212, Anm. 2. Vgl.
auch Sächs. Lehnr. 72 § 1: Die koning mut wol degedingen to lenrechte eneme
vorslen over ses weken mit eine brieve unde mit sime ingesegele. Der
genetische Zusammenhang mit der Ladung sub signaculo regis (oben S. 19 A. 4)
ist zu vermuten. Über sigillum citationis vgl. auch Ewald , Siegel- und Wappen-
kunde (1914), S. 29. Schriftliche Ladung nimmt auch an W. Ch. Francke,
Barbarossas Angaben über das Gerichtsverfahren gegen Heinrich den Löwen
(1914), S. 34.
3 S. 404ff.
4 Fehr, ZRG. 32, 561.