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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 5. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 3: Neue Quellenstücke zur Theologie des Johann von Wesel — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38927#0006
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6

Gerhard Ritter:

nichts anderes dar, als einen ganz schulmäßigen Repetitionskurs
des üblichen logischen Lehrstoffs und ergibt für die Zugehörigkeit
ihres Autors zu der einen oder anderen philosophischen Schulweise
gar nichts. Nicht einmal den Schluß, den man aus den Über- und
Unterschriften dieser ,,Hefte“ gezogen hat, daß Johann von Wesel
in den Jahren 1462/3 zu Basel über Logik, also einen Gegenstand
der artistischen Fakultät, gelesen haben müsse, obwohl er nach-
weislich als Theologieprofessor dorthin berufen war — eine höchst
sonderbare Erscheinung! -—- möchte ich für zwingend halten1.
Schulhefte wie die hier überlieferten pflegten diktiert, nicht „nach-
geschrieben“ zu werden; daß eine „Nachschrift“ in der Tat nicht
in Frage kommt, zeigt zum Überfluß der Duktus der Handschrift.
Überdies wanderten sie in Abschrift von Hand zu Hand, ja unter
Namen bekannter Lehrer von Ort zu Ort. Mit Sicherheit läßt sich
nach alledem nur sagen, daß man in Baseler Studentenkreisen 1462
ein logisches Schulbuch unter dem Namen des 1461 dorthin beru-
fenen Doktors der Theologie Wesel kopierte. Das ist alles.
Wesentlich mehr läßt sich aus dem — mit ziemlich großer
Sicherheit nach Erfurt, und zwar vor 1458, zu datierenden2 -—-
Sentenzenkommentar entnehmen, obwohl er leider in den uns
erhaltenen Exemplaren das wichtige vierte Buch, in dem u. a. auch
die Lehre von Buße und Ablaß hätte behandelt werden müssen,
nicht enthält3. Die unten nachfolgende Textpublikation bringt aus
der Berliner Handschrift einige charakteristische Proben.
Eine Notiz Ivonrad Burdachs4 machte nun kürzlich darauf
1 Hier mag noch ein anderer Irrtum berichtigt werden. Der Wortlaut
der von Clemen, DZGW, Neue F. II, Yiertelj.hefte (1898), S. 149, Anm. 6,
nach Gudenus wiedergegebenen cedula rectoris zwingt keineswegs zu dem
Schluß, daß Wesel am 24. 3. 146.0 nach Erfurt zurückgekehrt sei. Im Gegen-
teil: da man procuratores sive syndicos in einer Klagesache gegen ihn bestellen
wollte, ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß er abwesend war. Viel-
leicht hatte er noch unbeglichene Schulden aus der Rektoratszeit an die
Universitätskasse oder sonstige uneingelöste Verpflichtungen, vielleicht auch
ohne Genehmigung der Universität Erfurt verlassen ? Derartige Fälle sind
mir in Heidelberg häufig begegnet.
2 Die Abhaltung einer Sentenzenvorlesung gehörte zu den Pflichten des
theologischen Bakkalars; Wesel promovierte in Erfurt vor 1458 zum lic. theol.
3 Die von Rose a. a. 0. 507 angedeutete Vermutung absichtlicher Weg-
lassung in den Abschriften hat angesichts der streng kirchlichen Haltung der
ersten drei Bücher wenig Wahrscheinlichkeit für sich.
4 Über die nationale Aneignung der Bibel und die Anfänge der germani-
schen Philologie, Festschr. f. Mogk, 1924, S. 259, Nr. 1 (auch separat er-
schienen).
 
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