Studien zur Spätscholastik. III.
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synode (B 5). Eine andere Schrift kämpft gegen den Aberglauben
der Astrologie (B 3), und eine Synodalpredigt von 1468 gibt uns
Gelegenheit, die rhetorische Kunst des berühmten Wormser Dom-
predigers an einem ausgezeichneten Beispiel zu studieren (B 11).
Der Ablaßtraktat, den wir früher allein im Wortlaut kannten,
ordnet sich also jetzt in eine ganze Reihe von Arbeiten derselben
literarischen Gattung ein -— auch er (wie man längst erkannt hat),
ähnlich wie Luthers Ablaßthesen hervorgegangen aus Bedürfnissen
der seelsorgerlichen Praxis. Von den Schriften, die Wesel selber
im Verhör als von ihm verfaßt bezeichnete1, läßt sich freilich auch
jetzt nur die über den Ablaß wiedererkennen: das Vernichtungs-
werk des Ketzerrichters scheint also gründlichen Erfolg gehabt
zu haben.
Theologisch am wenigsten ergiebig ist der kleine Traktat über
die Astrologie (B3). Daß die kirchliche Wissenschaft, und so auch
die deutsche Theologie des 15. Jahrhunderts, mit Eifer gegen die
Beschränkung menschlicher und göttlicher Willensfreiheit, gegen
die Minderung sittlich-religiöser Verantwortlichkeit jedes einzelnen
für seine Taten angekämpft hat, die aus dem Glauben an die
Schicksalsgewalt der Sterne zu folgen schien, ist längst bekannt.
Gerade die okkamistische Schule mit ihrer gesteigerten Betonung
jener ethischen Grundbegriffe und ihrem nüchternen, streng aristo-
telischen Wissenschaftsbegriff hat sich gern an diesem Kampf
beteiligt. So sind unter dem Namen ihres Führers Heinrich von
Langenstein mehrere Abhandlungen gegen den astrologischen Aber-
glauben überliefert2, und auch die Heidelberger Theologen haben
mancherlei Traktate zur Bekämpfung des Aberglaubens geschrie-
ben3. Freilich: nicht selten war die ablehnende Haltung der schola-
stischen Theologen innerlich unsicher — man begnügte sich gern
mit dem Satze: ,,inclinant astra, non necessitant“, um so die mensch-
liche Willensfreiheit mit den astralen Einflüssen zu vereinigen4,
1 1. Super modo obligationis legum humanarum ad quendam Nicolaum de
Bohemia vel Polonia. 2. De potestate ecclesiastica. 3. De indulgentiis. 4. De
ieiuniis . . . Duplessis d’Argentre, a. a. 0., I, 2, 293.
2 Siehe F. W. Roth, Beiheft I, 2 zum Zentralbl. f. Bibliothekwesen
(1888), S. 97. Veröffentlicht ist von diesen Traktaten m. W. noch nichts.
3 Darüber Näheres in meiner Universitätsgeschichte. Vgl. einstweilen:
Hansen, Quellen und Unters, z. Gesch. d. Hexenwahns, 67ff., 71 ff.; Franz,
Nik. Magni de Jawor, 84ff., 115, 121, 151 ff.. 193ff. (über Nik. Magni und Joh.
v. Frankfurt).
4 Vgl. Boll-Bezold, Sternglaube und Sterndeutung (3. Aufl. 1926), 39,
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synode (B 5). Eine andere Schrift kämpft gegen den Aberglauben
der Astrologie (B 3), und eine Synodalpredigt von 1468 gibt uns
Gelegenheit, die rhetorische Kunst des berühmten Wormser Dom-
predigers an einem ausgezeichneten Beispiel zu studieren (B 11).
Der Ablaßtraktat, den wir früher allein im Wortlaut kannten,
ordnet sich also jetzt in eine ganze Reihe von Arbeiten derselben
literarischen Gattung ein -— auch er (wie man längst erkannt hat),
ähnlich wie Luthers Ablaßthesen hervorgegangen aus Bedürfnissen
der seelsorgerlichen Praxis. Von den Schriften, die Wesel selber
im Verhör als von ihm verfaßt bezeichnete1, läßt sich freilich auch
jetzt nur die über den Ablaß wiedererkennen: das Vernichtungs-
werk des Ketzerrichters scheint also gründlichen Erfolg gehabt
zu haben.
Theologisch am wenigsten ergiebig ist der kleine Traktat über
die Astrologie (B3). Daß die kirchliche Wissenschaft, und so auch
die deutsche Theologie des 15. Jahrhunderts, mit Eifer gegen die
Beschränkung menschlicher und göttlicher Willensfreiheit, gegen
die Minderung sittlich-religiöser Verantwortlichkeit jedes einzelnen
für seine Taten angekämpft hat, die aus dem Glauben an die
Schicksalsgewalt der Sterne zu folgen schien, ist längst bekannt.
Gerade die okkamistische Schule mit ihrer gesteigerten Betonung
jener ethischen Grundbegriffe und ihrem nüchternen, streng aristo-
telischen Wissenschaftsbegriff hat sich gern an diesem Kampf
beteiligt. So sind unter dem Namen ihres Führers Heinrich von
Langenstein mehrere Abhandlungen gegen den astrologischen Aber-
glauben überliefert2, und auch die Heidelberger Theologen haben
mancherlei Traktate zur Bekämpfung des Aberglaubens geschrie-
ben3. Freilich: nicht selten war die ablehnende Haltung der schola-
stischen Theologen innerlich unsicher — man begnügte sich gern
mit dem Satze: ,,inclinant astra, non necessitant“, um so die mensch-
liche Willensfreiheit mit den astralen Einflüssen zu vereinigen4,
1 1. Super modo obligationis legum humanarum ad quendam Nicolaum de
Bohemia vel Polonia. 2. De potestate ecclesiastica. 3. De indulgentiis. 4. De
ieiuniis . . . Duplessis d’Argentre, a. a. 0., I, 2, 293.
2 Siehe F. W. Roth, Beiheft I, 2 zum Zentralbl. f. Bibliothekwesen
(1888), S. 97. Veröffentlicht ist von diesen Traktaten m. W. noch nichts.
3 Darüber Näheres in meiner Universitätsgeschichte. Vgl. einstweilen:
Hansen, Quellen und Unters, z. Gesch. d. Hexenwahns, 67ff., 71 ff.; Franz,
Nik. Magni de Jawor, 84ff., 115, 121, 151 ff.. 193ff. (über Nik. Magni und Joh.
v. Frankfurt).
4 Vgl. Boll-Bezold, Sternglaube und Sterndeutung (3. Aufl. 1926), 39,