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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 5. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 3: Neue Quellenstücke zur Theologie des Johann von Wesel — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38927#0020
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Gerhard Ritter:

diese Materie in weitem Umfang diskutiert, ausgehend von der
Frage, ob der Papst und die Konzilien berechtigt seien, etwas bei
Strafe der Todsünde zu gebieten, und ob der Papst Christi Stell-
vertreter sei. Wäre nicht die Form des Briefwechsels, so möchte
man glauben, hier die von Johann im Ketzerverhör erwähnte, uns
unbekannte Schrift de potestate ecclesiastica in Händen zu haben;
ihren Inhalt jedenfalls wird man sich danach einigermaßen ver-
gegenwärtigen können.
Gleich das Ausgangsthema des Ganzen findet sich schon bei
Wessel Gansfort in dessen Schrift ,,de potestate ecclesiastica„Ca-
nones et statuta . . . non possunt sub poena peccati mortalis prae-
cipere, nisi quando praevaricatio inobedientis de se mortalem stul-
ticiam implicat* 1.u Die Wahrheit des Satzes ergibt sich bei Wessel
aus dem Zusammenhang einer ganz neuen, tiefsinnig begründeten
Auffassung des Priestertums, das aller obrigkeitlichen Befugnis ent-
kleidet, nur noch die Bolle des Seelenarztes spielen soll, der zwar
Ratschläge erteilen, aber nicht eigentlich befehlen darf. Eine so
systematische Gedankenentwicklung ist in unserem Briefwechsel
schon dadurch verhindert, daß Wesels Opponent (a) in recht naiver
Weise seine Bedenken gegen die Weselschen Thesen einmal mit der
Autorität des großen Gerson2, zum andern mit der Aufzählung einer
langen Reihe von ,,incongruentia“, von bedenklichen Konsequenzen
begründet, die sich aus ihnen für die kirchliche Lehre und Praxis
ergeben würden; in der Einzelwiderlegung dieser Einwände bewegt
sich die ganze Erörterung.
Die Autorität Gersons wird kurzerhand über den Haufen
gerannt durch gehäufte Bibelzitate, die beweisen sollen, daß Gott
sich selber das Herrscher- und Richteramt Vorbehalten hat (b).
ecclesie majoris, cuius scripta in Wesaliensem et plura et preclara vidimus. Yg'l.
ferner Falk, Zentralbl. f. Bibliothekswesen 15 (1898), 119ff. Danach hat er
u. a. einen Sentenzenkommentar, 1482 gedruckte quaestiones inlibrosA.de
anima, sowie unter kleineren Abhandlungen auch die folgende geschrieben:
Utrum omnes libri nostrae bibliae et praecipue tales quoad omnes assigni-
ficationes suas in sensu literali sint divini seu divina revelacione conscripti.
1 Farrago (1522) Bl. 35v (= Opp. 1. c. 755f.); ähnlich in: de sacramento
poenitentiae (Opp. 808, sub 21): Quodsi papa in his, quae mere divini juris sunt,
nihil precipere potest, utputa de diligendo Deum: non potest praecipere in vim
peccati mortalis, ut sui canones serventur. Unde canones directiones sunt, et
sapientum consilia. —• Vgl. auch Fizely 57.
2 Dessen fast kanonische Autorität im 15. Jahrhundert wird u. a. auch
durch den großen Brief Wessels an Jak. IJoek (Opp. 880ff.) illustriert.
 
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