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Gerhard Ritter:
aber erscheint seitdem — schon bei Trebellius — in dem sagen-
haften Lichte eines Märtyrers, eines Opfers mönchischen Hasses auf
den freieren Stand der seculares und thomistischer Parteiwut auf
die Vertreter weniger eng gebundener wissenschaftlicher Meinungen.
Alles in allem ein neues Beispiel für die höchst seltsame Verschrän-
kung der Parteigegensätze, die das unruhig-gärende literarische
Leben Deutschlands am Vorabend der Reformation erfüllten. Zu-
gleich für das trübe Mischmasch heterogenster Ideologien, aus denen
sich die Opposition der deutschen „Humanisten“ Wimpfelingscher
Richtung gegen das mittelalterliche Herkommen zusammensetzte.
Das Interesse der Humanisten für die Gestalt Johanns von
Wesel wurde offenbar nicht ertötet, sondern erst recht angefacht
durch die gehässige Art, mit der Wigand Wirt die von Trebellius
dargebotene Handhabe benützte, um nunmehr alle seine Gegner
von der Partei der Immakulisten (einschließlich der Franziskaner-
Observanten!) als „Wesalianer“ den Kirchenbehörden zu ver-
dächtigen; sein gründlicher und sehr sachkundiger Nachweis, daß
der Verurteilung Wesels in Wahrheit ganz andere Motive zugrunde
gelegen hatten, als die humanistischen Freunde Hensels sich weis-
machen ließen1, scheint ohne Eindruck geblieben zu sein. Die
1 Darüber und über den (für Wirt sehr unglücklichen) Ausgang des
Gezänkes (1513) vgl. N. Paulus und Lauchert a. a. O. Ich benutzte den
Dialogus apologeticus Wigand Wirts (Hain —- Copinger 16 219) in dem
Exemplar der Mainzer Stadtbibliothek; in Darmstadt ist der Traktat ent-
gegen den Angaben Roths (Beiheft 4 z. Centralbl. f. Bibliothekwesen,
1889, S. 483) nicht vorhanden. -— Ergänzend zu den Auszügen Laucherts
und Paulus’ teile ich noch Folgendes zum Ketzerprozesse Wesels mit: Fol.Iv:
Wesels Abschwörung seiner Ketzerartikel (21. 2. 1479) fand statt presentibus
totius alemannie nobilibus; illic etenirn tum in torneamentis convenerant, und
zwar fand die öffentliche Abschwörung vormittags, das Festturnier nach-
mittags statt, so daß der Tag, wie W. Wirt höhnisch bemerkt, ein doppeltes
Volksfest bot. — fol. IIP: Über das Schicksal des Ketzers nach der Abschwö-
rung: . . . cum post revocationem in stercoribus contabuerit suis apud Augusli-
nenses Moguncie perpetuis carceribus deputatus . . . Die Antwort des Inqui-
sitors auf Wesels Bitte, ihn doch nunmehr, nachdem er abgeschworen, aus dem
Schmutz des Kerkers zu erlösen (,,absolvam vos ab excommunicacionis pena . . .
recipiamque vos ad gremium s. ecclesie“, DZGW II, 173”) wäre demnach bewußt
zweideutig gewesen. — Fol. IIIa: Über den Anhang Wesels: Fateor ingenue,
dejensores habuit olim, et non paucos nec parvos; aber sobald das Ketzerische
seiner Lehre öffentlich gebrandmarkt war, solus ipse miser et despectus omnibus
ludibrio et perpetue confusionis fuit exemplum. — Als wichtigstes Beweisstück
seiner Häresie produziert W. Wirt voll Stolz unsern Traktat B. 5. — Was er
fol. XIIIa zur Verunglimpfung von Wesels persönlicher Lebenshaltung vor-
Gerhard Ritter:
aber erscheint seitdem — schon bei Trebellius — in dem sagen-
haften Lichte eines Märtyrers, eines Opfers mönchischen Hasses auf
den freieren Stand der seculares und thomistischer Parteiwut auf
die Vertreter weniger eng gebundener wissenschaftlicher Meinungen.
Alles in allem ein neues Beispiel für die höchst seltsame Verschrän-
kung der Parteigegensätze, die das unruhig-gärende literarische
Leben Deutschlands am Vorabend der Reformation erfüllten. Zu-
gleich für das trübe Mischmasch heterogenster Ideologien, aus denen
sich die Opposition der deutschen „Humanisten“ Wimpfelingscher
Richtung gegen das mittelalterliche Herkommen zusammensetzte.
Das Interesse der Humanisten für die Gestalt Johanns von
Wesel wurde offenbar nicht ertötet, sondern erst recht angefacht
durch die gehässige Art, mit der Wigand Wirt die von Trebellius
dargebotene Handhabe benützte, um nunmehr alle seine Gegner
von der Partei der Immakulisten (einschließlich der Franziskaner-
Observanten!) als „Wesalianer“ den Kirchenbehörden zu ver-
dächtigen; sein gründlicher und sehr sachkundiger Nachweis, daß
der Verurteilung Wesels in Wahrheit ganz andere Motive zugrunde
gelegen hatten, als die humanistischen Freunde Hensels sich weis-
machen ließen1, scheint ohne Eindruck geblieben zu sein. Die
1 Darüber und über den (für Wirt sehr unglücklichen) Ausgang des
Gezänkes (1513) vgl. N. Paulus und Lauchert a. a. O. Ich benutzte den
Dialogus apologeticus Wigand Wirts (Hain —- Copinger 16 219) in dem
Exemplar der Mainzer Stadtbibliothek; in Darmstadt ist der Traktat ent-
gegen den Angaben Roths (Beiheft 4 z. Centralbl. f. Bibliothekwesen,
1889, S. 483) nicht vorhanden. -— Ergänzend zu den Auszügen Laucherts
und Paulus’ teile ich noch Folgendes zum Ketzerprozesse Wesels mit: Fol.Iv:
Wesels Abschwörung seiner Ketzerartikel (21. 2. 1479) fand statt presentibus
totius alemannie nobilibus; illic etenirn tum in torneamentis convenerant, und
zwar fand die öffentliche Abschwörung vormittags, das Festturnier nach-
mittags statt, so daß der Tag, wie W. Wirt höhnisch bemerkt, ein doppeltes
Volksfest bot. — fol. IIP: Über das Schicksal des Ketzers nach der Abschwö-
rung: . . . cum post revocationem in stercoribus contabuerit suis apud Augusli-
nenses Moguncie perpetuis carceribus deputatus . . . Die Antwort des Inqui-
sitors auf Wesels Bitte, ihn doch nunmehr, nachdem er abgeschworen, aus dem
Schmutz des Kerkers zu erlösen (,,absolvam vos ab excommunicacionis pena . . .
recipiamque vos ad gremium s. ecclesie“, DZGW II, 173”) wäre demnach bewußt
zweideutig gewesen. — Fol. IIIa: Über den Anhang Wesels: Fateor ingenue,
dejensores habuit olim, et non paucos nec parvos; aber sobald das Ketzerische
seiner Lehre öffentlich gebrandmarkt war, solus ipse miser et despectus omnibus
ludibrio et perpetue confusionis fuit exemplum. — Als wichtigstes Beweisstück
seiner Häresie produziert W. Wirt voll Stolz unsern Traktat B. 5. — Was er
fol. XIIIa zur Verunglimpfung von Wesels persönlicher Lebenshaltung vor-