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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 1. Abhandlung): Behaviorismus und Vitalismus — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38934#0015
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Behaviorismus und Vitalismus.

8. Das, was überhaupt Gleichgewicht an unserem System aus-
macht, wird ebenfalls durch seine Geschichte verändert (2g), also
nicht nur seine Verfahrensweisen. In einem späteren Zustand
unseres Systems bedeutet also etwas anderes für dieses System
Gleichgewicht (und Störung des Gleichgewichts) als in einem früheren.
9. Wegen der Beliebigkeit der Geschichte, welche das Ver-
halten des Systems zu Änderungen der Umwelt und den Typus
seines Gleichgewichts bestimmt, kann diesem Verhalten keine be-
stimmt vorgebildete strukturelle Konstellation im System zugrunde
liegen. Was als ,,vorgebildet“ gedacht werden kann, ist nur eine
„Tendenz“ zur Erreichung von innerem Gleichgewicht über-
haupt nach Störungen desselben. Aber eben die beliebige Ge-
schichte bestimmt die Wege, auf denen das innere Gleichgewicht
nach Störungen wieder erreicht wird (6.) und das Gleichgewicht
selbst (8.).
10. Ein materielles System ist mechanisch im weitesten Sinne,
wenn sein Verhalten durch die Lage und momentane Geschwindig-
keit seiner Elemente und das zwischen ihnen bestehende Kraft-
gesetz bestimmt ist. Es entsteht die Frage, ob wir unser System
als „mechanisches“ System in diesem Sinne fassen dürfen.
Auch in einem mechanischen System zieht jede Gleichgewichts-
störung ein Verhalten nach sich, welche das Gleichgewicht wieder
herstellt. Aber die dabei eintretenden Elementarvorgänge hängen
hier nur von der durch die Störung gesetzten Momentankonstel-
lation des Systems ab. Bei unserem System hängen sie auch von
seiner beliebigen Geschichte und von noch anderem ab.
11. Diese Sachlage ist bei den sog. unbelebten materiellen
Systemen, den mechanischen, nicht bekannt. Zwar verändert bei
der elastischen Nachwirkung und der magnetischen Hysteresis die
Geschichte eines Systems dieses selbst. Aber in ganz anderer Weise,
als es bei der von uns untersuchten Systemart der Fall ist.
Denn in unserem System werden durch seine Geschichte
verändert: erstens die Art und Weise der zur Wiederherstellung
gestörten Gleichgewichts eingeschlagenen Formen des Verhal-
tens mit Rücksicht auf ihre Zusammensetzung aus Elementar-
vorgängen (6) und zweitens der Typus dessen, was Gleichgewicht
ist, selbst (8) und zwar ebenfalls mit Rücksicht auf spezifisch zu-
sammengesetzte Konstellation.
 
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