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Wilhelm Jänecke:
z. B. Rahn tut1, ist in wölbtechnischer Hinsicht ein Unsinn. Es
bleibt nur eine große Tat der Heranschaffung und der Versetzungs-
technik zu bewundern.
Wenn man das Brechen und Ausarbeiten des Riesensteins fern
von Ravenna in einem Steinbruche Istriens berücksichtigt, wobei
man — schon zur Erleichterung des Gewichts und der Vermeidung
späterer Schwierigkeiten beim Ausarbeiten der Einzelheiten oben
am Bau — sicher gleich alle Zierformen mit ausarbeitete, so kommt
man auch zu einer glaubwürdigen Herleitung des umstrittenen
Zangenfrieses. Sollte er genau konzentrisch mit dem Rund des
Kuppelsteines zusammenpassen, so mußte auch er mitsamt dem
abgerundeten Abdecksteine darüber gleich im fernen Steinbruche
in Istrien fertiggearbeitet werden. Damit ergibt sich eine richtig
erscheinende Spur für Herleitung seiner Ornamentik.
Schon Jakob Burckhardt2 hat in Hinblick auf diesen Fries
von einer „selbständigen und ausdrucksvollen Detailbildung“ ge-
sprochen. Am eingehendsten ist dann Max Händel den Formen
dieses Zangenfrieses nachgegangen. Seine an und für sich richtige,
zuerst von Alois Riegl3 vertretene Ansicht von dem höheren
Alter geometrischer Ornamentformen gegenüber vegetabilischen ist
aber für diese Zeit nicht anwendbar. Der mehr systematisch-
logisch als streng geschichtlich vorgehende Verfasser übersieht, daß
von der Geometrisierung der ältesten Zeiten kein direkter Weg zu
der der Völkerwanderung führt. Denn zu leugnen ist doch nicht,
daß in dieser Zeit der Völkerwanderung die zeitlich umgekehrte
Richtung herrscht, indem das immerhin noch erkennbar Natura-
listische der antiken Spätzeit hinter der geometrisierenden und
stilisierenden Absicht der neu heraufkommenden Frühzeit des
Mittelalters durchaus zurücktritt. Dabei mag die von Dehio und
Gall angeschnittene schwierige Frage, ob die Spätantike oder die
germanische Völkerwanderungskunst an dieser offenbaren Geo-
metrisierung den größeren Anteil hat, unerörtert bleiben.
Auf der anderen Seite hebt Händel mit Recht hervor, daß der
Zangenfries als Bordüre, freilich ohne die unten angehängten
Spiralen, als „ungeheuer verbreitete“ Zierform des Kreises über
dem Dreieck in dieser Völkerwanderungszeit, besonders bei Schmuck-
sachen außerordentlich häufig vorkommt. Er fehlt weder im
1 Ravenna, Leipzig 1869.
2 Der Cicerone, Basel 1860 Neudruck 1924 S. 89.
3 „Stilfragen“, Wien 1895.
Wilhelm Jänecke:
z. B. Rahn tut1, ist in wölbtechnischer Hinsicht ein Unsinn. Es
bleibt nur eine große Tat der Heranschaffung und der Versetzungs-
technik zu bewundern.
Wenn man das Brechen und Ausarbeiten des Riesensteins fern
von Ravenna in einem Steinbruche Istriens berücksichtigt, wobei
man — schon zur Erleichterung des Gewichts und der Vermeidung
späterer Schwierigkeiten beim Ausarbeiten der Einzelheiten oben
am Bau — sicher gleich alle Zierformen mit ausarbeitete, so kommt
man auch zu einer glaubwürdigen Herleitung des umstrittenen
Zangenfrieses. Sollte er genau konzentrisch mit dem Rund des
Kuppelsteines zusammenpassen, so mußte auch er mitsamt dem
abgerundeten Abdecksteine darüber gleich im fernen Steinbruche
in Istrien fertiggearbeitet werden. Damit ergibt sich eine richtig
erscheinende Spur für Herleitung seiner Ornamentik.
Schon Jakob Burckhardt2 hat in Hinblick auf diesen Fries
von einer „selbständigen und ausdrucksvollen Detailbildung“ ge-
sprochen. Am eingehendsten ist dann Max Händel den Formen
dieses Zangenfrieses nachgegangen. Seine an und für sich richtige,
zuerst von Alois Riegl3 vertretene Ansicht von dem höheren
Alter geometrischer Ornamentformen gegenüber vegetabilischen ist
aber für diese Zeit nicht anwendbar. Der mehr systematisch-
logisch als streng geschichtlich vorgehende Verfasser übersieht, daß
von der Geometrisierung der ältesten Zeiten kein direkter Weg zu
der der Völkerwanderung führt. Denn zu leugnen ist doch nicht,
daß in dieser Zeit der Völkerwanderung die zeitlich umgekehrte
Richtung herrscht, indem das immerhin noch erkennbar Natura-
listische der antiken Spätzeit hinter der geometrisierenden und
stilisierenden Absicht der neu heraufkommenden Frühzeit des
Mittelalters durchaus zurücktritt. Dabei mag die von Dehio und
Gall angeschnittene schwierige Frage, ob die Spätantike oder die
germanische Völkerwanderungskunst an dieser offenbaren Geo-
metrisierung den größeren Anteil hat, unerörtert bleiben.
Auf der anderen Seite hebt Händel mit Recht hervor, daß der
Zangenfries als Bordüre, freilich ohne die unten angehängten
Spiralen, als „ungeheuer verbreitete“ Zierform des Kreises über
dem Dreieck in dieser Völkerwanderungszeit, besonders bei Schmuck-
sachen außerordentlich häufig vorkommt. Er fehlt weder im
1 Ravenna, Leipzig 1869.
2 Der Cicerone, Basel 1860 Neudruck 1924 S. 89.
3 „Stilfragen“, Wien 1895.