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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0029
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Kyrios Jesus.

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steht für jüdischen und urchristlichen Glauben fest; deshalb kann
Jesus es als seine Aufgabe betrachten, das Regiment des Satans
zu brechen.
Nach solchen alten und jungen Zeugnissen läßt sich sägen,
daß nicht nur iranische Kosmogonie, sondern jüdischer Teufels-
glaube, der freilich kaum ohne nachhaltigen Einfluß jener denkbar
ist, den antithetischen Hintergrund dieser Worte bildet. Der
Teufel hat einst zu Anfang der Welt wie einen Raub das Gott-
gleich-sein, und das heißt, die Würde und Macht eines Herrn der
Welt an sich gerissen. Wenn jetzt von der göttlichen Gestalt ein
positives Gegenbild gezeichnet wird, so könnte man einen Augen-
blick lang meinen, die Schilderung sei durch die Anspielung auf
solches vorweltliche Geschehen gefärbt und habe für diese Gestalt
keine positive Redeutung. Aber das Gewicht dieser Worte ou%
ap-aygöv YjyYjaaTo ist zu groß, als daß man in ihnen nur Anspielung
auf etwas finden könnte, was für das göttliche Wesen ohne Bedeu-
tung wäre. Und unzulässig ist die Einmischung des Begriffes Er-
innerung in diese Sphäre göttlicher Zeitlosigkeit. So hat denn diese
göttliche Gestalt in der Wahl gestanden zwischen dem Wege des
Rauhens und dem des Nichtraubens; was hier mit knappen Worten
angedeutet wird, ist die Geschichte einer göttlichen Versuchung.
Wer der Versucher ist, wird nicht gesagt, läßt sich aber auch kaum
fragen. Denn es ist das Einzigartige dieser Schilderung, daß sie
alle Taten aus eigenem Entschluß und eigener Kraft geschehen
läßt. Diese Gestalt versucht gleichsam sich selbst; was sie ist,
das ist ihr zur Entscheidung in die Hand gegeben. Es ist ein Ge-
danke, der durch die aufgezeigten theoretischen Voraussetzungen
möglich und notwendig ist. Deshalb ist der Gegenstand der Ver-
suchung, das Gott-gleich-sein, sowohl eine res rapienda als auch
eine res rapta. Dies göttliche Wesen ist Gott gleich und damit zur
Herrschaft bestimmt; aber ebenso muß es die Ausübung der Herr-
schaft erst gewinnen. Es ist zwischen diesen beiden Seiten ein
Unterschied wie der zwischen Sinn und Wirklichkeit, Verborgen-
heit und Öffentlichkeit. Die Gestalt ist Kyrios kraft göttlicher Art
und wird Kyrios durch seine Tat1. Und der Weg dieser Taten ist
der paradoxe, der erst durch das Mensch-werden zum Kyrios-sein
führt.
1 So liegt also auch in dem Begriff tö elvai faa -9-sco der Gedanke der
86'oc, der königlichen Glorie enthalten. Vgl. auch H. H. Schaeder, Studien
zum antiken Synkretismus, 321.
 
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