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Nikolaus [Hrsg.]; Hoffmann, Ernst [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 3. Abhandlung): Cusanus-Texte: I. Predigten, 1: Dies sanctificatus vom Jahre 1439 — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39951#0044
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Jt» HOFFMANN und R. Klibansky.

des deutschen Frühhumanismus christlicher Prägung, und schon
Bruno hat mit Recht in Cusanus einen Anfang gesehen* 1. Die ge-
suchten Fundamente nun lassen sich unschwer an dem Spruche
aufweisen, den Cusanus zum Motto seiner Predigt macht „Ich bin
der Weg, die Wahrheit und das Leben“.
Macht man sich historisch klar, woher die Verwendung dieser
drei Begriffe Weg, Wahrheit, Leben als philosophischer Symbole
stammt, so ergibt sich, daß den „Weg“ als erster Heraklit2 aus
volkstümlichen Vorstellungen in die Philosophie übernommen hat.
Im Gegensatz zu allem rhythmisch Verfließenden des Welt-
geschehens, welches nur ein immerwährendes Hin und Her kennt,
nur ein spielerisches Auf und Ab des Weges, ist der denkenden Seele
eine Straße eigen, deren Grenzen man nicht abschreiten kann,
denn die Tiefendimension des Logos ist unendlich (12 B 45).
Der erste, der die „Wahrheit“ in der Philosophie personifiziert3
hat, ist Parmenides. Auch er hat das Symbol des Weges, das vom
dritten Verse seines Lehrgedichtes an in durchgehender Allegorie
erhalten bleibt; aber zum einen Symbol kommt bei ihm das andere :
der wohlgerundeten „Wahrheit“ unerschütterliches Herz (18 B 1,29).
Ihr — der Wahrheit — folgt der rechte Weg der philosophischen
Überzeugung (B 4). Ist der „Weg“ für Heraklit so kennzeichnend,
weil dies Symbol gleichsam die ganze Intention des Philosophen
in sich enthält, die Menschen auf die neue Bahn der Gefolgschaft
des Logos zu führen, so ist die Unerschütterlichkeit der Aletheia
das Herzstück der eleatischen Logik. Sie ist bei Parmenides wie
in der Orphik nahe verbunden mit Dike: der Wahrheitsbegriff ist
es, der richterlich die alternative Entscheidung (κρίσις) verlangt:
„Es ist oder ist nicht“.
sibiliter amplecterer in docta ignorantia per transcensum veritatum incorrup-
tibilium humaniter scibilium. Freilich darf nicht vergessen werden, daß diese
Erleuchtung und ihre philosophischen Auswirkungen nicht möglich gewesen
wären ohne die enorme logische Zucht, die der scholastischen Philosophie
verdankt wird.
1 Vgl. Brunos Abschiedsrede zu Wittenberg.
2 Ygl. Ii. Diels, Parmenides’ Lehrgedicht (1897) S. 47.
3 Vgl. Gerh. Storz, Gebrauch und Bedeutungsentwicklung von άλή-9-εια
und begriffsverwandten Wörtern in der griechischen Literatur vor Platon.
Dissert., Tübingen 1922, Maschinenschrift. Angezeigt von W. Nestle,
Philolog. Wochenschr. 1928, Sp. 67ff. Ferner Heinr. Barti-i, Platonische
Wahrheit, Zeitwende II, 291 ff., die Rektoratsrede von H. v. Soden, Was ist
Wahrheit? Marburg 1927, und H. Leisegang, Der Logos als Symbol, Blätter
für deutsche Philosophie 1928, S. 292ff.
 
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