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E. Hoffmann und R. Klibansky.
Im Begriffe der Gottförmigkeit ist aber auch kein pan-
theistisches Moment enthalten1. Wie man in der Kosmologie des
Cusanus das Universum nur dann mit Gott verwechseln kann,
wenn man die Begriffe identisch und gleich verwechselt, so darf
man in der Ordnung des Lebendigen, welche im Menschen ihr Ziel,
ihren Gipfel und ihren Ruhepunkt erreicht, keine Identität etwa
mit einem stufenweise sich entfaltenden Gottesbegriff erblicken.
Sondern das Tmema gilt auch hier: Finiti et infiniti nulla proportio.
Das Absolute und die „termini“, die für uns im Absoluten liegen,
sind transzendent. Auch bei der Deificatio also handelt es sich um
Teilhabe, um Weg und Richtung.
Aber andererseits muß jede nominalistische Vorstellung fern
bleiben, als ob der Gattungsbegriff ,,Menschheit“, welcher die Auf-
gabe des Einzelmenschen in sich befaßt, lediglich eine genera-
lisierende Abstraktion sei. Das Menschsein, welches wir in sitt-
lichem Sinne zu erfüllen berufen sind, hat vielmehr die höchste
Realität. Es ist sittlich so sehr ,,universale“ und somit real wie
kosmologisch das Universum. Beide stehen zum Absoluten un-
mittelbar, wie das Gleiche zum identisch-Einen, die Relation zur
Substanz.
Nun aber liegt im Begriff der Aufgabe, wofern ihre Erfüllung
im Unendlichen ruht, nicht nur das Vermögen, sondern auch das
Unvermögen. Da Gott das Absolut-Einfache ist, wir hingegen das
Relativ-Viele und Eingeschränkte, so steht unserem Bemühen, an
Gott teilzuhaben, gegenüber, daß Gott an seinem Sein nicht teil-
haben läßt: der Absolut-Eine ist nicht „participabilis“. Wie sich
unser Wissen, wenn es sich auf das Absolute richtet, als Nichtwissen
herausstellt, so unser sittliches Vermögen als Unvermögen. Für
Wissenschaft und sittliches Vermögen gilt nun aber auch anderer-
seits: sobald sie im Hinblick auf das Absolute sich als unzureichend
nicht nur fühlen, sondern methodisch sich als unzureichend er-
kannt haben, so haben sie damit den transzendenten Gesichts-
punkt gefunden, nach dem sie in ihrer beschränkten (kontrakten)
Seinsform den „Weg“ einschlagen und sich „richten“ können. Wie
also die Ignorantia zu einer Doctrina werden kann, so soll gerade
das Unvermögen zur Möglichkeit werden. In der Erkenntnis des
1 Daß freilich die Ausdrucksweise des Cusanus dies Mißverständnis nahe
legte, auf dem vornehmlich die Angriffe gegen ihn basierten, zeigt auch un-
sere Predigt: universum, si consideratur in pura unitate, tunc est Deus, quia
mundus archetypus et Verbum.
E. Hoffmann und R. Klibansky.
Im Begriffe der Gottförmigkeit ist aber auch kein pan-
theistisches Moment enthalten1. Wie man in der Kosmologie des
Cusanus das Universum nur dann mit Gott verwechseln kann,
wenn man die Begriffe identisch und gleich verwechselt, so darf
man in der Ordnung des Lebendigen, welche im Menschen ihr Ziel,
ihren Gipfel und ihren Ruhepunkt erreicht, keine Identität etwa
mit einem stufenweise sich entfaltenden Gottesbegriff erblicken.
Sondern das Tmema gilt auch hier: Finiti et infiniti nulla proportio.
Das Absolute und die „termini“, die für uns im Absoluten liegen,
sind transzendent. Auch bei der Deificatio also handelt es sich um
Teilhabe, um Weg und Richtung.
Aber andererseits muß jede nominalistische Vorstellung fern
bleiben, als ob der Gattungsbegriff ,,Menschheit“, welcher die Auf-
gabe des Einzelmenschen in sich befaßt, lediglich eine genera-
lisierende Abstraktion sei. Das Menschsein, welches wir in sitt-
lichem Sinne zu erfüllen berufen sind, hat vielmehr die höchste
Realität. Es ist sittlich so sehr ,,universale“ und somit real wie
kosmologisch das Universum. Beide stehen zum Absoluten un-
mittelbar, wie das Gleiche zum identisch-Einen, die Relation zur
Substanz.
Nun aber liegt im Begriff der Aufgabe, wofern ihre Erfüllung
im Unendlichen ruht, nicht nur das Vermögen, sondern auch das
Unvermögen. Da Gott das Absolut-Einfache ist, wir hingegen das
Relativ-Viele und Eingeschränkte, so steht unserem Bemühen, an
Gott teilzuhaben, gegenüber, daß Gott an seinem Sein nicht teil-
haben läßt: der Absolut-Eine ist nicht „participabilis“. Wie sich
unser Wissen, wenn es sich auf das Absolute richtet, als Nichtwissen
herausstellt, so unser sittliches Vermögen als Unvermögen. Für
Wissenschaft und sittliches Vermögen gilt nun aber auch anderer-
seits: sobald sie im Hinblick auf das Absolute sich als unzureichend
nicht nur fühlen, sondern methodisch sich als unzureichend er-
kannt haben, so haben sie damit den transzendenten Gesichts-
punkt gefunden, nach dem sie in ihrer beschränkten (kontrakten)
Seinsform den „Weg“ einschlagen und sich „richten“ können. Wie
also die Ignorantia zu einer Doctrina werden kann, so soll gerade
das Unvermögen zur Möglichkeit werden. In der Erkenntnis des
1 Daß freilich die Ausdrucksweise des Cusanus dies Mißverständnis nahe
legte, auf dem vornehmlich die Angriffe gegen ihn basierten, zeigt auch un-
sere Predigt: universum, si consideratur in pura unitate, tunc est Deus, quia
mundus archetypus et Verbum.