Ein Proklos-Fund und seine Bedeutung.
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der Methodik seines Schülers Zenon die starren Begriffe von Ein-
heit und Sein in einen logischen Veitstanz geraten läßt, ein Spiel,
dessen reicher Gewinn* 1 erst durch die im Dialog selbst angedeutete2
Verbindung mit der positiven Dialektik des Sophistes enthüllt
wird: erblickt der Neuplatonismus im Parmenides die als 'dialek-
tischen Mythos5 gefaßte Darstellung des einen Gottes und der
Stufenfolge seiner Emanationen.
Dem neuplatonischen Systematiker erwächst aus dieser An-
schauung die Aufgabe, die einzelnen einander widersprechenden
Hypothesen des Dialogs mit dem hierarchischen Aufbau der Prin-
zipien seiner Metaphysik in Einklang zu bringen3. Die Schwierig-
keiten, die der Platonische Text ihm hierbei bietet, sind groß4;
möglich gemacht wird diese Deutung einzig und allein durch die
besondere Stellung, die der ersten Hypothesis vor allen anderen
in seiner paradoxen Zuspitzung an die Redeweise der Platons Zeit nicht allzu
fernen HERAKLiT-Mode erinnert, wie sie unter den Idippokrat.-Schriften etwa
in Περί τροφής zu finden ist (Littre IX, 98sqq.); vgl. etwa Parmenid. p. 156 e sq.;
163b; 166c.
1 Daß es im Wesen Platonischen "Spiels’ begründet ist, daß in ihm
Bedeutungsvollstes aufleuchten kann -— im Parmenides etwa die Betrachtung
über das Geheimnis des Augenblicks (το έξαίφνης) —, bedarf keiner Erläu-
terung für den, der bedenkt, was im Phaidros, Timaios, VI. Brief und in den
Gesetzen παιδιά für Platon bedeutet. Eine klare Bestimmung des Bedeu-
tungsgehaltes, den dieser Begriff von Platon empfängt, wäre die unerläßliche
Vorbedingung für das Verständnis Platon. Mythik und — darüber hinaus
— des Dialogs als philosophischer Ausdrucksform überhaupt.
2 Vgl. etwa Parmenides, pag. 129d — 130a. Die kompositioneile Zu-
sammengehörigkeit der beiden Dialoge ist sehr eng; alle wesentlichen Begriffe
des Sophistes (κοινωνία, ετερον, μή ov, usw.) tauchen im Wirbel der Hypo-
thesen des Parmenides kurz auf und deuten dem Leser des Sophistes eine
Lösung an, wo der Parmenides in ironischer Negativität auszuklingen scheint.
-— Die letzte Wechselrede des Dialogs, p. 166c 2 bis Schluß, die den gedank-
lichen Ertrag aller Hypothesen — auch hier in stärkster, in der sprachlichen
Form sich äußernder Paradoxie -—· zusammenfaßt (und demgemäß in den
Ausgaben als Schlußabschnitt zu kennzeichnen ist!), drängt zum Ergebnis
des Sophistes, der seinerseits die Beziehung zum Parmenid. ausdrücklich
hervorhebt, p. 217 c.
3 Vgl. Theol. Platon. I. 10, pag. 21; Parmenid.-Komment, pag. 1040;
pag. 1052.
4 Schon im Altertum wird diese Deutung der Schule lebhaft bestritten;
vgl. Parmenid.-Komment, pag. 1051 sq.; ferner die Einleitung zum I. Buch,
pag. 630sq. In der ‘Platon. Theologie’ I. 8, werden die Auslegungen der
Gegner erörtert und in den folgenden Kapiteln bekämpft, — vor allem die
Auffassung, der Parmenid. sei als Übung in der Logik zu betrachten.
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der Methodik seines Schülers Zenon die starren Begriffe von Ein-
heit und Sein in einen logischen Veitstanz geraten läßt, ein Spiel,
dessen reicher Gewinn* 1 erst durch die im Dialog selbst angedeutete2
Verbindung mit der positiven Dialektik des Sophistes enthüllt
wird: erblickt der Neuplatonismus im Parmenides die als 'dialek-
tischen Mythos5 gefaßte Darstellung des einen Gottes und der
Stufenfolge seiner Emanationen.
Dem neuplatonischen Systematiker erwächst aus dieser An-
schauung die Aufgabe, die einzelnen einander widersprechenden
Hypothesen des Dialogs mit dem hierarchischen Aufbau der Prin-
zipien seiner Metaphysik in Einklang zu bringen3. Die Schwierig-
keiten, die der Platonische Text ihm hierbei bietet, sind groß4;
möglich gemacht wird diese Deutung einzig und allein durch die
besondere Stellung, die der ersten Hypothesis vor allen anderen
in seiner paradoxen Zuspitzung an die Redeweise der Platons Zeit nicht allzu
fernen HERAKLiT-Mode erinnert, wie sie unter den Idippokrat.-Schriften etwa
in Περί τροφής zu finden ist (Littre IX, 98sqq.); vgl. etwa Parmenid. p. 156 e sq.;
163b; 166c.
1 Daß es im Wesen Platonischen "Spiels’ begründet ist, daß in ihm
Bedeutungsvollstes aufleuchten kann -— im Parmenides etwa die Betrachtung
über das Geheimnis des Augenblicks (το έξαίφνης) —, bedarf keiner Erläu-
terung für den, der bedenkt, was im Phaidros, Timaios, VI. Brief und in den
Gesetzen παιδιά für Platon bedeutet. Eine klare Bestimmung des Bedeu-
tungsgehaltes, den dieser Begriff von Platon empfängt, wäre die unerläßliche
Vorbedingung für das Verständnis Platon. Mythik und — darüber hinaus
— des Dialogs als philosophischer Ausdrucksform überhaupt.
2 Vgl. etwa Parmenides, pag. 129d — 130a. Die kompositioneile Zu-
sammengehörigkeit der beiden Dialoge ist sehr eng; alle wesentlichen Begriffe
des Sophistes (κοινωνία, ετερον, μή ov, usw.) tauchen im Wirbel der Hypo-
thesen des Parmenides kurz auf und deuten dem Leser des Sophistes eine
Lösung an, wo der Parmenides in ironischer Negativität auszuklingen scheint.
-— Die letzte Wechselrede des Dialogs, p. 166c 2 bis Schluß, die den gedank-
lichen Ertrag aller Hypothesen — auch hier in stärkster, in der sprachlichen
Form sich äußernder Paradoxie -—· zusammenfaßt (und demgemäß in den
Ausgaben als Schlußabschnitt zu kennzeichnen ist!), drängt zum Ergebnis
des Sophistes, der seinerseits die Beziehung zum Parmenid. ausdrücklich
hervorhebt, p. 217 c.
3 Vgl. Theol. Platon. I. 10, pag. 21; Parmenid.-Komment, pag. 1040;
pag. 1052.
4 Schon im Altertum wird diese Deutung der Schule lebhaft bestritten;
vgl. Parmenid.-Komment, pag. 1051 sq.; ferner die Einleitung zum I. Buch,
pag. 630sq. In der ‘Platon. Theologie’ I. 8, werden die Auslegungen der
Gegner erörtert und in den folgenden Kapiteln bekämpft, — vor allem die
Auffassung, der Parmenid. sei als Übung in der Logik zu betrachten.