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Raymond Klibansky :
cbung durch den antik-griechischen Neuplatonismus in den Ge-
sichtskreis des Abendlandes tritt.
Die Übersetzung des Parmenides-Kommentars steht ja nicht
allein; sie ist in Zusammenhang zu stellen mit der großen Reihe
der anderen Übersetzungen von Werken des Proklos, die alle von
dem gleichen Wilhelm von Moerbeice stammen: der Στοιχείωσις
Αεολογική, der 3 Schriften Περί των δέκα προς την πρόνοιαν άπορημά-
των, Περί προνοίας καί ειμαρμένης καί του έφ’ ήμΐν, Περί τής των κακών
ύποστάσεως, und des Kommentars zum Platonischen Timaios. Die
Elementatio Theologica, deren außerordentliche Verbreitung ja
aus der großen Zahl der Handschriften bekannt ist, die 3 Werke
De decem dubitationibus circa providentiam, De providentia et
fato et eo quod in nobis, De malorum subsistentia — die im Ori-
ginal verloren und nur in dieser Übersetzung uns erhalten sind —,
die Übersetzung des Timaios-Kommentars1, alle diese zwischen
1268 und 1280 entstandenen Übersetzungen stellen zusammen
mit dem Parmenides-Kommentar einen geschlossenen Bestand
neuplatonischen Schrifttums dar, dessen Wirkung noch zu Leb-
zeiten Thomas’ einsetzend, am Ende des XIII. Jahrhunderts zu-
nächst bei dem Kreis hervorragender, dem Übersetzer persönlich
nahestehender Männer spürbar, im beginnenden XIV. Jahrhundert
für die Mystik der deutschen Dominikaner von entscheidender
Bedeutung wird.
Die autoritative Stellung, die Proklos im System des Dietrich
von Freiberg einnimmt, ist bekannt2. Aus dem umfangreichen,
bisher noch ungedruckten Kommentar seines ihm vielleicht nahe-
stehenden Ordensgenossen Berthöld von Moosburg zur Elemen-
1 Naehgewiesen von A. Birkenmajer in seiner wertvollen Abhandlung
„Der Brief der Pariser Artistenfakultät zum Tod des hl. Thomas“ (Vermischte
Unters, z. Gesch. d. mittelalt. Philos., BGPM XX. 5, Münster 1922). Die Text-
probe aber, die er dort aus einer Leydener Hs. des XVI. Jahrh. als Übersetzung
des Wilhelm vorlegt, stammt nicht von diesem, sondern gehört offenbar einer
viel späteren Zeit an, wie Birkenmajer es jetzt selbst in den Xenia Thomist. III
pag. 64 ausspricht; dort bringt er ein Stück des Timaios-Kommentars in der
Übersetzung des Wilhelm, das ihm in einem Zitat des Henricus Bäte auf-
zufinden gelang. Besser überliefert ist das gleiche Stück in einer bisher nicht
verwerteten Leydener Hs. des XIV. Jahrh. erhalten (God. Lugd. bibl. publ.
lat. 64, fol. 137v—138r).
2 Von hier aus ist die in ihrer Paradoxie wenig gewürdigte Verbindung
zwischen dem Erkenntnisbegriff und der Naturlehre Dietrichs zu deuten.
Raymond Klibansky :
cbung durch den antik-griechischen Neuplatonismus in den Ge-
sichtskreis des Abendlandes tritt.
Die Übersetzung des Parmenides-Kommentars steht ja nicht
allein; sie ist in Zusammenhang zu stellen mit der großen Reihe
der anderen Übersetzungen von Werken des Proklos, die alle von
dem gleichen Wilhelm von Moerbeice stammen: der Στοιχείωσις
Αεολογική, der 3 Schriften Περί των δέκα προς την πρόνοιαν άπορημά-
των, Περί προνοίας καί ειμαρμένης καί του έφ’ ήμΐν, Περί τής των κακών
ύποστάσεως, und des Kommentars zum Platonischen Timaios. Die
Elementatio Theologica, deren außerordentliche Verbreitung ja
aus der großen Zahl der Handschriften bekannt ist, die 3 Werke
De decem dubitationibus circa providentiam, De providentia et
fato et eo quod in nobis, De malorum subsistentia — die im Ori-
ginal verloren und nur in dieser Übersetzung uns erhalten sind —,
die Übersetzung des Timaios-Kommentars1, alle diese zwischen
1268 und 1280 entstandenen Übersetzungen stellen zusammen
mit dem Parmenides-Kommentar einen geschlossenen Bestand
neuplatonischen Schrifttums dar, dessen Wirkung noch zu Leb-
zeiten Thomas’ einsetzend, am Ende des XIII. Jahrhunderts zu-
nächst bei dem Kreis hervorragender, dem Übersetzer persönlich
nahestehender Männer spürbar, im beginnenden XIV. Jahrhundert
für die Mystik der deutschen Dominikaner von entscheidender
Bedeutung wird.
Die autoritative Stellung, die Proklos im System des Dietrich
von Freiberg einnimmt, ist bekannt2. Aus dem umfangreichen,
bisher noch ungedruckten Kommentar seines ihm vielleicht nahe-
stehenden Ordensgenossen Berthöld von Moosburg zur Elemen-
1 Naehgewiesen von A. Birkenmajer in seiner wertvollen Abhandlung
„Der Brief der Pariser Artistenfakultät zum Tod des hl. Thomas“ (Vermischte
Unters, z. Gesch. d. mittelalt. Philos., BGPM XX. 5, Münster 1922). Die Text-
probe aber, die er dort aus einer Leydener Hs. des XVI. Jahrh. als Übersetzung
des Wilhelm vorlegt, stammt nicht von diesem, sondern gehört offenbar einer
viel späteren Zeit an, wie Birkenmajer es jetzt selbst in den Xenia Thomist. III
pag. 64 ausspricht; dort bringt er ein Stück des Timaios-Kommentars in der
Übersetzung des Wilhelm, das ihm in einem Zitat des Henricus Bäte auf-
zufinden gelang. Besser überliefert ist das gleiche Stück in einer bisher nicht
verwerteten Leydener Hs. des XIV. Jahrh. erhalten (God. Lugd. bibl. publ.
lat. 64, fol. 137v—138r).
2 Von hier aus ist die in ihrer Paradoxie wenig gewürdigte Verbindung
zwischen dem Erkenntnisbegriff und der Naturlehre Dietrichs zu deuten.