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Klibansky, Raymond; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 5. Abhandlung): Ein Proklos-Fund und seine Bedeutung — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39953#0028
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28

Raymond Klibansky:

Teil des Werkes in 3 verschiedenen Zeiten von Neuem gelesen haben
muß. Mag auch diese wiederholte Lektüre auf einen bestimmten zeit-
lichen Abstand hinweisen, so könnte doch noch zweifelhaft sein, ob
nicht schon die erste Lektüre ziemlich spät erfolgt und die Wirkung
des Kommentars darum nur in den genannten Werken der Spät-
zeit spürbar sei. Allein es läßt sich mit Sicherheit feststellen, daß
Cusanus das Werk des Proklos schon früh gekannt haben muß,
lange bevor er den Cod. Cusan. 186 besaß.
In einer Straßburger Handschrift mit Werken des Gerson
und Bonaventura, die dem jungen Cusanus gehörte1, finden sich
von dessen Hand auf den Innenseiten des Deckels und den Deck-
blättern neben einer Notiz über den Platonischen Timaios Exzerpte
aus des Proklos 'Platonischer Theologie’ und dem Parmenides-
Kommentar. Im Zusammenhang mit der 'Docta Ignorantia’ be-
trachtet erweist sich dies letzte Stück als außerordentlich bedeut-
sam. Denn wir haben — was hier nur kurz angedeutet werden
kann — neben den Werken des Pseudo-Areopagiten und den Scho-
lien des Maximos in diesem Abschnitt des Proklos2, systematisch
und historisch betrachtet, einen entscheidenden Anknüpfungspunkt
für die Cusanische Lehre von der Erhabenheit Gottes über die
Coincidentia oppositorum. Erst aus der Erkenntnis, wie diese
für die gesamte Philosophie und Mathematik des Cusanus grund-
legende Bestimmung unmittelbar herauswächst aus dem Begriff
des neuplatonischen Έν, in der ihm von Proklos gegebenen For-
mung3, wird sich die eigentümliche Leistung des Cusanus, die
dynamische Wendung, die er diesem Gedanken erteilt, würdigen
1 Cod. Argentorat. 84 (lat. 81).
2 Parmenides-Kommentar VI., zu pag. 137 d des Platonischen Textes, pag.
1123, 26 bis 1124, 28 Cousin, in lateinischer Übersetzung. Das Stück beginnt:
In omni enim opposicione necessarium est Unum exaltatum
esse ab ambobus oppositis . . . (cod. cit., hinteres Deckblatt1-, nach fol.
51). Am Ende verweist Cusanus auf das VII. Buch: ,,vide in commento ubi su-
pra in septimo libro“; u. zwar, wie aus dem behandelten Problem ersichtlich
ist, gerade auf den im Griechischen fehlenden Schlußteil. ·—- Den ganzen ersten
Satz des gleichen Stückes (p. 1123, 26 sq.) schreibt Cusanus im Cod. Cusan.
186 fol. 114r nochmals an den Rand und gibt zu diesem Abschnitt eine für
den Unendlichkeitsbegriff wichtige Marginalie, deren Veröffentlichung in
anderem Zusammenhang erfolgen soll.
3 Die Erhabenheit des "Ev über allen Gegensatz wird außer in der oben
angeführten Stelle im Parmenid.-Komment, sehr häufig in aller Schärfe von
Proklos ausgesprochen; vgl. p. 1076, 35 sq.; 1092,36; 1127, 20; 1203, 38 sq.;
etc. Viele von diesen Stellen sind von Cusanus in seinem Exemplar angemerkt.
 
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