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Heimpel, Hermann [Hrsg.]; Heimpel, Hermann [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 1. Abhandlung): Studien zur Kirchen- und Reichsreform des 15. Jahrhunderts, 1: Eine unbekannte Schrift Dietrichs v. Niem über die Berufung der Generalkonzilien (1413/1414) — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39954#0016
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Hermann Heimpel:

eigenen Worten fort, haben die Päpste ihren Anspruch aufgebaut,
allein das Konzil zu berufen.
Was aus der langen Darstellung der Primatsgeschichte für die
Konzilsberufungsfrage hervorgeht, ist dieses, daß ein solches Recht
weder enthalten ist in den ursprünglichen Eigenschaften des Petrus;
noch in dem quasigewohnheitsrechtlich ausgebildeten Primat der
vorkonstantinischen Zeit; noch aber auch in denjenigen Primats-
rechten, die der Papst von Kaiser Konstantin erhalten hat. Indem
im späteren Teile der Schrift für die Fälle, in denen der Papst
das Konzil nicht berufen kann, der Kaiser eingeführt wird, und
ausdrücklich betont wird, die ersten Versammlungen der Christen
seien von Konstantin autorisiert gewesen1, so ist positiv zu er-
schließen: das Recht der Konzilsberufung ist ein originär kaiser-
liches Recht, und der Kaiser hat es nicht aus der Hand gegeben,
sondern es ist ihm usurpatorisch aus der Hand genommen worden.
Dies auch die Ansicht und die Worte des Marsilius. Aber so
abhängig Dietrich in dem grundsätzlichen Teile seiner Schrift von
ihm ist, so hat er doch das Wesentliche an der Theorie des Mar-
silius gerade für die Konzilsberufung nicht angenommen. Zu-
nächst: Er hat diejenigen Sätze des Marsilius, die im Zusammen-
hänge über diese Frage handeln (das 21. Kapitel des zweiten
Ruches2), überhaupt nicht übernommen; aus den Worten über die
Primatsgeschichte, die er dem Defensor Pacis entlehnt hat, ist das
kaiserliche Berufungsrecht nur zu erschließen, und noch dazu
stehen die Worte, auf die es in Dietrichs Zusammenhang gerade
zunächst ankommt, nämlich die Christen hätten zur Zeit Kon-
stantins angefangen zusammenzukommen ,,eius auctoritate atque
licencia“, an dieser Stelle gar nicht bei Marsilius: Dietrich hat sie
hier eingeführt, um die marsilianische Primatsgeschichte überhaupt
erst richtig in Zusammenhang mit seinem Thema zu bringen. Die
Lehre des Marsilius von der Konzilsberufung beruht ja Adelmehr
auf dem von Dietrich nicht übernommenen allgemeinen Satze,
daß nur der Legislator humanus, das souveräne Volk, oder sein
Exponent (praktisch: der Kaiser) das Konzil berufen könne, des-
Avegen, Aveil nur dieser Legislator humanus, niemals aber ein Organ
der Kirche eine ZAvangsgeAvalt ausüben könne, AAÜe sie nötig sei
für Berufung und für ErzAvingung des Gehorsams gegen die Be-
1 Unten S. 34: eius auctoritate atque licencia; die Worte stehen in
diesem Zusammenhang nicht bei Marsilius.
2 Goldast, Monarchia 2, 258ff.
 
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