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Heimpel, Hermann [Hrsg.]; Heimpel, Hermann [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 1. Abhandlung): Studien zur Kirchen- und Reichsreform des 15. Jahrhunderts, 1: Eine unbekannte Schrift Dietrichs v. Niem über die Berufung der Generalkonzilien (1413/1414) — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39954#0030
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Hermann Heimpel:

Christenheit. Zabarella belegt das mit einem auch sonst, aber nicht
in diesem speziellen Sinn, benutzten Kanon des Decretum Gra-
tiani1. Dieser Kanon bestimmt für den Fall, daß in einer Kirchen-
provinz nicht nur der Metropolitan, sondern auch alle Bischöfe
fehlen, um die Bischöfe der Nachbarprovinz zur Vornahme einer
Bischofsweihe zu laden, daß diese Ladung ausgehen müsse vom
gesamten „populus“ der Diözese. Indem Zabarella diesen Satz
anwendet auf die Gesamtkirche, und den Kaiser analog handeln
läßt als den Vertreter des populus der ganzen Welt2, übt der
Kaiser seine subsidiäre kirchliche Gewalt nicht nur einfach als
advocatus ecclesiae, sondern als Exponent des christliches Volkes;
das heißt, in ihm wird die Kirche in ihrem weitesten, in der konzi-
liaren Theorie der Zeit zugrunde gelegten Sinne aktiv. Auf diese
Weise hat Zabarella die Frage der Konzilsberufung im Anschluß
an das geltende Hecht mit Argumenten aus einzelnen Rechts-
sätzen behandelt, und ist doch schon so zu einer Begründung der
kaiserlichen Berufung gekommen, die sie nur erscheinen läßt als
den Ausdruck der Souveränität des Kirchenvolkes; erst in dem
Nachtrag von 1408 hat er dann, diesmal aber nicht mit Bezug
auf die Berufungsfrage, die eigentliche geistige Grundlage seiner
Lehre auch von der Berufung gegeben: Die kirchliche Gewalt ruht
auf der universitas totius ecclesie als ihrem Fundament3.
So konnte man von konservativeren und von weiter von der
hierarchischen Ordnung abweichenden Ansichten aus den Kaiser
das Konzil berufen lassen. Für Dietrich ergab sich der Apell an
den Kaiser, wie aus seinem bekannten Imperialismus, aus der
kirchenpolitischen Situation vor dem Konstanzer Konzil. Er hat
aber bis dahin in dieser Frage sich nicht immer gleichmäßig ver-
halten. Freilich: Der Kaiser war für ihn wie für andere von jeher
der Retter in der Not des Schismas; wie andere hat auch er an
1 Dist. 65 c. 9.
2 691: Proprie autem imperator representat totum populum Christianum,
cum in eum translata sit iurisdictio et jmtestas universi orbis . . . Loco ipsorum
populorum habet congregare concilium. Wenn Zabarella das Recht des Kaisers
noch verstärken will (691: Confirmatur hoc . . .) mit dem Hinweis, das Konzil
werde „De sui natura“ berufen, „ut ibi agatur de iis, que spectant ad fidem
catholicam“, und auf dem Glaubenskonzil könne der Kaiser anwesend sein,
so kommt das nur sekundär hinzu. Auf der Sjmode ist der Kaiser dann zwar
nicht „ad potenciam ostendendam“, sondern „ad fidem confirmandam“, aber
er ist „pars concilii“, nicht aus Gnade des Konzils, sondern aus eigenem Rechte.
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