Gusanus-Studien: I. Das Universum des Nikolaus von Gues.
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portio5. Alles Vergleichen, alles Messen, also alles Erkennen und
W issen hört auf, sobald der Gegenstand des Wissens das Unend-
liche selber, das Absolute in seiner adäcjuaten Wesenheit sein soll.
Weil Wissen Vergleichen ist, müssen die Objekte des Wissens grund-
sätzlich untereinander denselben Charakter haben; ich kann nur
vergleichen, wo irgendeine "Gleichheit5 (Platons zugrunde
liegt. Es besteht aber keine Gleichheit zwischen dem Endlichen
und dem Unendlichen. Superlatio ist nicht fortgesetzte Compara-
tio, sondern jene ist absolut, wie diese relativ ist. Endliches und
Unendliches ist verschieden wie: Gegensatz und Koinzidieren der
Gegensätze.
Also kann nach Nicolaus Cusanus die Logik in ihrer Aristo-
telischen Form gar nicht Denkmittel der Gotteslehre sein. Die
gesamte traditionelle Logik ist eine Logik des Endlichen und
besteht hier zu Recht, soweit es im Gebiet des Endlichen nur gilt,
schrittweise (diskursiv) vom Einen zum Anderen und wieder zum
Anderen zu gehen und durch eine endliche Folge endlicher Denk-
schritte einen Begriff am anderen zu messen und einen auf den
andern zurückzuführen. Den Begriff des Unendlichen aber besitzt
unser Erkenntnisorgan nur als ein gedankliches Operationsmittel.
gerade um von all diesen endlichen Erkenntnisgegenständen glei-
chen Abstand zu nehmen: es bleibt also der Abstand zwischen End-
lichem und Unendlichem immer derselbe. Cusanus erklärt es für
den grundsätzlichen Irrtum der bisherigen Theologie: den schritt-
weise rekursiven Weg vom Besonderen zum logisch Allgemeinen
zugleich für den Weg zum Unendlichen zu halten. Mit dem logisch
Allgemeinen bleiben wir immer noch in der homogenen Sphäre des
Endlichen; Artbegriffe und Gattungsbegriffe, ja sogar die höchsten
'Universalia5 gehören immer noch zum 'Universum5; auch die
allgemeinsten Begriffe sind immer noch relativ, immer noch 'Welt5.
Mit dem absolut Unendlichen aber sind wir prinzipiell über die
Welt hinaus, und eine Kluft ist gesetzt, die durch keine diskursive
Logik zu überbrücken ist1. Daher bleibt uns für das Unendliche
nur die negative Form des Wissens, wie wir es ja auch nur negativ
benennen können: als unendlich, unvergleichlich, unvergänglich
usw.: Unsere doctrina ist ignorantia.
Fällt nun aber die scholastische Logik, welche durch eine kon-
tinuierliche Folge von Syllogismen bis zum Absoluten kommen will.
1 Auch die Informationstheorie der Hochscholastik fällt: cum deus ab-
solutus sit inpermiscibilis materiae non informans. D. ign. III, 2.
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portio5. Alles Vergleichen, alles Messen, also alles Erkennen und
W issen hört auf, sobald der Gegenstand des Wissens das Unend-
liche selber, das Absolute in seiner adäcjuaten Wesenheit sein soll.
Weil Wissen Vergleichen ist, müssen die Objekte des Wissens grund-
sätzlich untereinander denselben Charakter haben; ich kann nur
vergleichen, wo irgendeine "Gleichheit5 (Platons zugrunde
liegt. Es besteht aber keine Gleichheit zwischen dem Endlichen
und dem Unendlichen. Superlatio ist nicht fortgesetzte Compara-
tio, sondern jene ist absolut, wie diese relativ ist. Endliches und
Unendliches ist verschieden wie: Gegensatz und Koinzidieren der
Gegensätze.
Also kann nach Nicolaus Cusanus die Logik in ihrer Aristo-
telischen Form gar nicht Denkmittel der Gotteslehre sein. Die
gesamte traditionelle Logik ist eine Logik des Endlichen und
besteht hier zu Recht, soweit es im Gebiet des Endlichen nur gilt,
schrittweise (diskursiv) vom Einen zum Anderen und wieder zum
Anderen zu gehen und durch eine endliche Folge endlicher Denk-
schritte einen Begriff am anderen zu messen und einen auf den
andern zurückzuführen. Den Begriff des Unendlichen aber besitzt
unser Erkenntnisorgan nur als ein gedankliches Operationsmittel.
gerade um von all diesen endlichen Erkenntnisgegenständen glei-
chen Abstand zu nehmen: es bleibt also der Abstand zwischen End-
lichem und Unendlichem immer derselbe. Cusanus erklärt es für
den grundsätzlichen Irrtum der bisherigen Theologie: den schritt-
weise rekursiven Weg vom Besonderen zum logisch Allgemeinen
zugleich für den Weg zum Unendlichen zu halten. Mit dem logisch
Allgemeinen bleiben wir immer noch in der homogenen Sphäre des
Endlichen; Artbegriffe und Gattungsbegriffe, ja sogar die höchsten
'Universalia5 gehören immer noch zum 'Universum5; auch die
allgemeinsten Begriffe sind immer noch relativ, immer noch 'Welt5.
Mit dem absolut Unendlichen aber sind wir prinzipiell über die
Welt hinaus, und eine Kluft ist gesetzt, die durch keine diskursive
Logik zu überbrücken ist1. Daher bleibt uns für das Unendliche
nur die negative Form des Wissens, wie wir es ja auch nur negativ
benennen können: als unendlich, unvergleichlich, unvergänglich
usw.: Unsere doctrina ist ignorantia.
Fällt nun aber die scholastische Logik, welche durch eine kon-
tinuierliche Folge von Syllogismen bis zum Absoluten kommen will.
1 Auch die Informationstheorie der Hochscholastik fällt: cum deus ab-
solutus sit inpermiscibilis materiae non informans. D. ign. III, 2.