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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0025
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Fragestellung und Gliederung des Ganzen.

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standen zu dem nachkantischen deutschen Idealismus und seiner
Metaphysik ebenfalls in einem positiven Verhältnis und waren
schon deshalb, wenn sie Logik trieben, nicht der Meinung, daß sich
die Aufgaben auch nur der theoretischen Philosophie damit er-
schöpften.
Richtig aber ist, daß man nicht nur eine erkenntnistheoretische
Grundlegung als Vorarbeit eines umfassenden philosophischen
Denkens für unentbehrlich hielt, sondern daß manche der so
orientierten Philosophen über die Grundlegung nicht weit hinaus-
kamen oder ganz in der Vorarbeit stecken blieben.
Dieser Umstand erweckte schon früh Gefühle des Mißbehagens
oder der Ungeduld, und zwar nicht nur bei den angeblich „über-
wissenschaftlichen“ Köpfen, die sich seit der Jahrhundertwende vor
allem an zwei genial begabten Spät-Romantikern, zuerst an
Nietzsche* und dann an Kierkegaard, orientierten, und die jetzt,
leider ohne die Genialität ihrer Vorbilder — ein Mangel, der bei
jeder romantischen oder überwissenschaftlichen „Philosophie“
schwer ins Gewicht fällt — mit mehr oder weniger „Geist“ um die
vieldeutigen, aber gerade deswegen bei Dilettanten so beliebten
Schlagworte „Leben“ und „Existenz“ kreisen. Nein, auch bei
denen, die ernsthaft wissenschaftlich arbeiten wollten und dabei
keinerlei Ansprüche auf überwissenschaftliche Gaben erhoben,
sondern sich mit nüchternster „Richtigkeit“ ihrer Ergebnisse be-
gnügten, machte sich eine Abneigung gegen alles geltend, was man
geringschätzig „nur Logik“ nannte.
Die Philosophie, sagte man, dürfe auch als „strengste“ Wissen-
schaft mit „exaktester“ Methode, in Reflexionen über das Wesen
des Denkens und Erkennens nicht eine so wichtige Aufgabe sehen,
wie die Neukantianer es getan hätten. Sie könne derartige Über-
legungen eventuell sogar vollständig entbehren und müsse sie zum
„Mythos“ über den „Neukantianismus“, der als unvereinbar mit den
Tatsachen energisch zurückgewiesen werden muß. Andererseits freut es mich
sehr, daß auch in der jüngeren Generation die Meinung, Kant selber sei
niemals nur „Erkenntnistheoretiker“ gewesen, wieder mit Nachdruck ver-
treten wird. Vgl. Martin Heidegger „Kant und das Problem der Meta-
physik“, 1929 und Eugen Herrigel „Die metaphysische Form. Eine Aus-
einandersetzung mit Kant“. Erster Halbband: „Der mundus sensibilis“, 1929.
Auf keinen Fall sollte man, wenn man den „Kantianismus“ für eine verfehlte
Interpretation Kants verantwortlich macht, mich zu den „Kantianern“
zählen, die in Kants theoretischer Philosophie nur eine Erkenntnistheorie
sehen.

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1930/31. l.Abh.

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