16
Einleitung.
unternahm, und damit verband sich andererseits das Bestreben,
festen theoretischen Boden dadurch zu gewinnen, daß man sich
zunächst an den Fragen der „transzendentalen Logik“ orientierte.
Man trieb, um einen schon früh, z. B. von Eduard Zeller, dafür
gebrauchten Terminus zu verwenden, vor allem „Erkenntnis-
theorie“ als philosophische Grundwissenschaft.
Das hatte durchaus nicht überall die Bedeutung, daß man die
Philosophie überhaupt auf Logik beschränken wollte, und zwar
mit der Begründung, daß diese Disziplin allein noch übrig bleibe,
nachdem die Welt in allen ihren Teilen von Einzelwissenschaften
erforscht werde. Behauptungen, die den „Kantianismus“ in dieser
Weise als bloße Theorie des Erkennens charakterisieren, stammen
meistens von Verächtern der Erkenntnistheorie, die ihren Gegner
so darzustellen lieben, wie er sich am leichtesten bekämpfen läßt.
Sie treffen damit höchstens einen Teil der Transzendentalphilo-
sophen, denn unter den sogenannten Neu-Kantianern waren stets
Denker, die sich schon in der theoretischen Philosophie um-
fassendere als logische Ziele steckten. Sie wußten nicht nur genau,
daß Kant selbst niemals daran gedacht hatte, die theoretische
Philosophie der Erkenntnistheorie gleich zu setzen1, sondern sie
1 Vgl. hierzu mein Buch: „Kant als Philosoph der modernen Kultur.
Ein geschichtsphilosophischer Versuch“. 1924. Dort wird (S. 151 ff.) kurz
gezeigt, weshalb in den Anfängen der „neukantischen“ Bewegung in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts es in der Tat so aussah, als solle die
Philosophie im Anschluß an Kant sich auf die Ausbildung einer Erkenntnis-
theorie beschränken, und wie sich solche Tendenzen aus der Lage des da-
maligen wissenschaftlichen Zeitbewußtseins verstehen lassen, das nur Natur-
wissenschaft als „Wissenschaft“ kannte. Dann aber heißt es: „Daß Kant
selbst nie daran gedacht hat, der Philosophie so bescheidene Aufgaben zu
stellen wie einige der Neukantianer, ist aus seinen Schriften leicht zu ersehen“.
(S. 152). Von der „Kritik der reinen Vernunft“ wird gesagt: „Nicht eine
Theorie der Erfahrungswissenschaften ist das Hauptproblem dieses Werks,
sondern um die alten, immer wiederkehrenden Probleme der Metaphysik
dreht es sich. Man braucht nur die Vorrede zur ersten Auflage der Kritik
der reinen Vernunft zu lesen, und man kann nicht mehr glauben, Kants Haupt-
ziel in diesem Buch sei eine Theorie der mathematischen Naturwissenschaft
gewesen. Nur wer der Philosophie eine so universale Aufgabe stellt, wie Kant
es stets tat, hat das Recht, sich einen „Kantianer“ zu nennen. Für philo-
sophische Spezialisten, die nichts anderes als Erkenntnistheoretiker sein wollen,
ist die Bezeichnung durchaus ungeeignet. Auch, ja grade Kantianismus ist
Lehre vom All der Welt“ (S. 153). — Für diese Ansicht bin ich seit mehr als
einem Menschenalter eingetreten, und ich kann es mir nicht versagen, die Sätze
aus meinem Buch wörtlich zu zitieren, denn es bildet sich bereits ein
Einleitung.
unternahm, und damit verband sich andererseits das Bestreben,
festen theoretischen Boden dadurch zu gewinnen, daß man sich
zunächst an den Fragen der „transzendentalen Logik“ orientierte.
Man trieb, um einen schon früh, z. B. von Eduard Zeller, dafür
gebrauchten Terminus zu verwenden, vor allem „Erkenntnis-
theorie“ als philosophische Grundwissenschaft.
Das hatte durchaus nicht überall die Bedeutung, daß man die
Philosophie überhaupt auf Logik beschränken wollte, und zwar
mit der Begründung, daß diese Disziplin allein noch übrig bleibe,
nachdem die Welt in allen ihren Teilen von Einzelwissenschaften
erforscht werde. Behauptungen, die den „Kantianismus“ in dieser
Weise als bloße Theorie des Erkennens charakterisieren, stammen
meistens von Verächtern der Erkenntnistheorie, die ihren Gegner
so darzustellen lieben, wie er sich am leichtesten bekämpfen läßt.
Sie treffen damit höchstens einen Teil der Transzendentalphilo-
sophen, denn unter den sogenannten Neu-Kantianern waren stets
Denker, die sich schon in der theoretischen Philosophie um-
fassendere als logische Ziele steckten. Sie wußten nicht nur genau,
daß Kant selbst niemals daran gedacht hatte, die theoretische
Philosophie der Erkenntnistheorie gleich zu setzen1, sondern sie
1 Vgl. hierzu mein Buch: „Kant als Philosoph der modernen Kultur.
Ein geschichtsphilosophischer Versuch“. 1924. Dort wird (S. 151 ff.) kurz
gezeigt, weshalb in den Anfängen der „neukantischen“ Bewegung in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts es in der Tat so aussah, als solle die
Philosophie im Anschluß an Kant sich auf die Ausbildung einer Erkenntnis-
theorie beschränken, und wie sich solche Tendenzen aus der Lage des da-
maligen wissenschaftlichen Zeitbewußtseins verstehen lassen, das nur Natur-
wissenschaft als „Wissenschaft“ kannte. Dann aber heißt es: „Daß Kant
selbst nie daran gedacht hat, der Philosophie so bescheidene Aufgaben zu
stellen wie einige der Neukantianer, ist aus seinen Schriften leicht zu ersehen“.
(S. 152). Von der „Kritik der reinen Vernunft“ wird gesagt: „Nicht eine
Theorie der Erfahrungswissenschaften ist das Hauptproblem dieses Werks,
sondern um die alten, immer wiederkehrenden Probleme der Metaphysik
dreht es sich. Man braucht nur die Vorrede zur ersten Auflage der Kritik
der reinen Vernunft zu lesen, und man kann nicht mehr glauben, Kants Haupt-
ziel in diesem Buch sei eine Theorie der mathematischen Naturwissenschaft
gewesen. Nur wer der Philosophie eine so universale Aufgabe stellt, wie Kant
es stets tat, hat das Recht, sich einen „Kantianer“ zu nennen. Für philo-
sophische Spezialisten, die nichts anderes als Erkenntnistheoretiker sein wollen,
ist die Bezeichnung durchaus ungeeignet. Auch, ja grade Kantianismus ist
Lehre vom All der Welt“ (S. 153). — Für diese Ansicht bin ich seit mehr als
einem Menschenalter eingetreten, und ich kann es mir nicht versagen, die Sätze
aus meinem Buch wörtlich zu zitieren, denn es bildet sich bereits ein