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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0028
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20

Einleitung.

wissenschaftliche Bearbeitung der Probleme der Ontologie und
Metaphysik machen will ? Hat die Ontologie nicht die Aufgabe,
auch in dem Sinne onto-logisch zu verfahren, daß sie zugleich
Logik des Seienden bleibt ?
Es fehlt gewiß auch heute schon unter den Metaphysikern
nicht an Stimmen, die eine „kritische Ontologie“ verlangen1. Aber
sie dringen noch nicht überall durch. Ja, das Wort „kritisch“ erregt
ebenso Mißtrauen wie das Wort „Logik“. Daher ist immer wieder
von neuem die Frage zu stellen: darf, nachdem Kant einmal gelebt
hat, die Philosophie als Wissenschaft bei der Erforschung des Seins
der Welt noch in der Weise sofort an die „Sache selbst“ gehen,
wie der Spezialforscher das tup kann, der nicht die Welt, sondern
ein begrenztes Gebiet des Seienden vor sich hat? Oder fordert
nicht vielmehr gerade jedes universale Erkennen des Seins der
Welt im Interesse der wissenschaftlichen „Sachlichkeit“ zuerst eine
Besinnung darauf, was es eigentlich heißt, „das Seiende“ als Ganzes
oder das Sein der Welt zum Gegenstand der Erkenntnis zu machen?
Wird also nicht auch eine Reflexion über den Weg angestellt werden
müssen, auf dem allein man bei einem solchen Bestreben vorwärts
zu kommen hoffen darf ? Ist es mit anderen Worten nicht not-
wendig, die Ontologie mit der Logik, die Metaphysik mit der Er-
kenntnistheorie zn verbinden ?
Vielleicht wird man sagen, es habe keinen Sinn, die Frage in
dieser Allgemeinheit aufzuwerfen, denn niemand könne sie be-
antworten, bevor nicht genau gesagt worden sei, was man unter
„Logik“ einerseits und unter „Ontologie“ andererseits versteht.
Ja noch mehr: man kann bestreiten, daß hier überhaupt eine ernst-
hafte Frage vorliegt, denn gerade dann, wenn die Philosophie
wieder Lehre vom ganzen Sein der Welt werden wolle, sei es ein-
fach selbstverständlich, daß sie auch das Wesen des Denkens und
Erkennens nicht vernachlässigen dürfe, da Denken und Erkennen
doch auch mit zum Ganzen der Welt gehören. Nur gegen eine
besondere Art der Erkenntnistheorie, wie der Kantianismus sie
gepflegt habe, müsse man sich wenden. Das Erkennen bleibe unter
allen Umständen ein Teil des Weltganzen und dürfe in einer wahr-
haft umfassenden Theorie des Seienden nicht an die Spitze oder
ins Zentrum gestellt werden, sondern sei als partieller Gegenstand
1 Vgl. Nikolai Hartmann, besonders: „Grundzüge einer Metaphysik
der Erkenntnis“, 1921, und „Wieist kritische Ontologie überhaupt möglich?“
in der Festschrift für Paul Natorz, 1924, S. 124ff.
 
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