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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0057
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II. Der Aussagesatz und die logische Synthese des Einen u. des Andern. 49

der Wahrheit besitzen, und zwar wird sich, um das Resultat vorweg
zu nehmen, ergeben: die für uns brauchbaren Sätze müssen so
beschaffen sein, daß wir bei ihrem Hören oder Lesen verstehen:
durch sie wird von einem Etwas ein anderes Etwas ausgesagt.
Es liegt also in ihnen, wie nachgewiesen werden soll, zum mindesten
eine Zweiheit oder eine Andersheit vor.
Nennen wir dann mit einer wenig glücklichen, aber üblich
gewordenen Terminologie das erste Etwas dieser Zweiheit, von
dem etwas ausgesagt wird, oder das Objekt der Aussage, das
grammatische „Subjekt“ (das eigentlich ein „Objekt“ ist), das
zweite Etwas dagegen, womit etwas ausgesagt wird, oder was
■etwas aussagt, das grammatische „Prädikat“, dann können wir
auch sagen: für die Auffindung des logischen Sinnes kommen nur
solche Sätze in Betracht, welche ein grammatisches „Subjekt“ mit
einem grammatischen „Prädikat“ verbinden, oder kurz: alle
wahren und für uns brauchbaren Sätze sind sprachlich Prädi-
kationen. Das haben wir im folgenden zuerst zu erörtern1.

1 Um Bedenken zu begegnen, die eventuell von sprachwissenschaftlicher
Seite erhoben werden und auch logisch relevant erscheinen können, sei aus-
drücklich bemerkt: wenn im folgenden von der Sprache und den Sätzen als
sprachlichen Gebilden die Rede ist, so ist immer nur eine Sprache gemeint,
die von der Sprachwissenschaft als „flektierend“ bezeichnet wird. Das ist eine
bewußte Beschränkung. Ich bin zu ihr gezwungen, da ich andere Sprachen
als „flektierende“ nicht verstehe. Aber die Beschränkung scheint mir logisch
völlig unbedenklich, denn überall ist die Sprache im folgenden nur das Mittel
oder das Sprungbrett, um von ihr aus zur logischen Struktur des wahren
Sinnes vorzudringen. Ja, wir werden versuchen, uns von allen grammatischen
Begriffen so frei zu machen wie irgend möglich, und zu diesem Zwecke sogar
die Begriffe des Subjekts und des Prädikats durch andere, logische Begriffe er-
setzen. Auf keinen Fall darf man aus der Beschränkung auf die „flektierenden
Sprachen“ irgend welche „relativistischen“ Schlüsse ziehen und der Ver-
mutung Ausdruck geben, daß von nicht-flektierenden Sprachen aus man
vielleicht zu einer anderen Logik des Sinnes käme. Wahrscheinlich läßt sich
auch mit anderen Sprachen logisch denken. Der Gedanke an eine Relativierung
des Logischen dagegen durch die Sprache und an die Möglichkeit, daß es
mehrere verschiedene „Logiken“ geben könne, ist von vorneherein eine
logische Absurdität. Das muß immer wieder gesagt werden, denn in der
Philosophie scheint es nicht nur unsterbliche Begriffe und Probleme, sondern
auch unsterbliche — Gedankenlosigkeiten zu geben. Der logische Relativismus
ist eine solche „Gedanken-Losigkeit“ im eigentlichen Sinne des Wortes, der nur
dann „konsequent“ wäre, wenn er sich selbst jedes Gedankens enthielte.
Sobald man über verschiedene Arten der Logik nachdenkt, muß man dabei,
wie bei jedem Denken, schon die Logik benutzen und voraussetzen, daß nur

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1930/31. 1. Abh.

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