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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0093
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III. Die Gliederung des einfachsten logischen Sinnes u. die Urprädikate. 85

die in dem Satz „der Peripherie-Winkel ist ein rechter“ implicite
steckt, auch sprachlich zum Ausdruck bringen wollen, dürfen wir
nur sagen „der Peripherie-Winkel im Halbkreis ist erstens ideal
existierend und zweitens ein rechter.“
Daraus ergibt sich dann zugleich, weshalb das logische Sinn-
minimum bei diesem Doppelsatz allein durch den Satz „der
Peripherie-W inkel im Halbkreis ist ideal existierend“ zum adäquaten
Ausdruck kommt, und weshalb der Satz, um zu einer Formel für
das einfachste Sinngebilde aller Erkenntnisse dieser Art zu werden,
so umzubilden ist, daß er lautet: „etwas ist ideal existierend“.
Das Wort „etwas“ ist dann wieder wie vorher die Bezeichnung für
das logische Subjekt, das Wort „ideal existierend“ die Bezeichnung
für das logische Prädikat. Die Worte und ihre Bedeutungen können
auch hier nicht vertauscht werden, d. h. „etwas“ kann kein logisches
Prädikat und „ideal existierend“ kein logisches Subjekt in einem
wahren Sinngebilde über ideal existierende Gegenstände, wie die
mathematischen es sind, bedeuten. Das ideal Existierende als
grammatisches Subjekt ist logisch bereits soviel wie das als ideal
existierend Prädizierte.
Einer genaueren Erörterung bedarf dieser Fall sonst nicht.
Die Gründe für die Richtigkeit dessen, was wir behaupten, ergeben
sich leicht aus den Darlegungen über die Formel „etwas ist wirk-
lich“. Der Satz wurde hier nur herangezogen, weil sich an ihm
besonders leicht klar machen läßt, wie falsch die „realistische“
Ansicht ist, alle gegenständlich wahre Erkenntnis sei Wirklich-
keits-Erkenntnis, und wie wenig es daher angeht, die „Wirk-
lichkeit“ als das Urprädikat überhaupt zu bezeichnen, das jeder
gegenständlichen Erkenntnis zugrunde liegt. Beim Peripherie-
Winkel im Halbkreis haben wir als Prädikat absichtlich nicht das
Wort „sein“, sondern den Terminus „existieren“ gebraucht, um
auch hier wie heim ersten Beispiel für das Prädikat einen andern
Ausdruck zu haben als für die Copula „ist“.
Unser Ergebnis können wir jetzt allgemein so formulieren, daß
wir sagen: in allen Sinngebilden, die Wahrheiten über die Sinnen-
welt und über mathematische Gegenstände geben, stecken logische
Minima, die zum Teil durch den Satz „etwas ist real existierend“,
zum Teil durch den Satz „etwas ist ideal existierend“ adäquat
zum sprachlichen Ausdruck kommen, und sowohl die reale Existenz
oder die Wirklichkeit der Sinnenwelt als auch die ideale Existenz
der mathematischen Gegenstände sind als Urprädikate zu be-
zeichnen.
 
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