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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0097
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III. Die Gliederung des einfachsten logischen Sinnes u. die Drprädikate. 89
Wir werden das vierte primäre Prädikat, auf das wir in diesem
Beispiel stoßen, am besten als „gelten“ bezeichnen und sagen:
das am Satz, was wahr sein kann, muß zugleich auch gelten. Wir
wählen dies Wort, das seit Lotze üblich geworden ist, weil bisher
noch niemand es durch einen besseren Ausdruck ersetzt hat, und
weil wir irgend einen Terminus brauchen, um das zu bezeichnen,
was sich von den drei bisher genannten Arten des Prädikats deutlich
unterscheidet. Der Terminus „gelten“ wird in diesem Zusammen-
hang genügend verständlich sein und insbesondere einer Verwechs-
lung mit den andern Prädikaten Vorbeugen, selbst wenn wir auf den
Begriff des „Geltens“ nicht näher eingehen. Nur das eine sei aus-
drücklich bemerkt : unter „gelten“ ist selbstverständlich hier nicht
schon das logische Gelten gemeint, denn dann wäre der Satz,
welcher das Geltende, d. h. das als geltend Prädizierte „wahr“
nennt, analytisch oder identisch im früher angegebenen Sinne.
„Logisch gelten“ ist nur ein anderer Name für „wahr sein“. Gelten
heißt hier vielmehr gerade noch nicht dasselbe wie wahr sein, sondern
bedeutet etwas allgemeineres, und dies Allgemeine wird dann durch
das zweite Prädikat „wahr“ erst genauer bestimmt.
Uns kommt es in unserem Zusammenhang vor allem auf einen
logischen Sachverhalt an, der auch so klar wird. Die allgemeine
Art des Geltens überhaupt ist als Prädikat nrcht minder voraus-
gesetzt, wenn z. B. der Satz „der Hermes des Praxiteles ist schön“,
der dem Hermes gewiß kein logisches Gelten zuspricht, eine
gegenständlich wahre Erkenntnis zum Ausdruck bringen soll, denn
das Prädikat „schön“ kann ebensowenig auf den sinnlich wirk-
lichen Hermes bezogen werden, wie das Wort „wahr“ auf den
sinnlich wirklichen Satz. Das entweder als wahr oder als schön
prädizierte „etwas“ muß vielmehr in allen solchen Fällen, wo dem
logischen Subjekt Prädikate dieser Art beigelegt werden, außerdem
noch als „geltend“ in der allgemeinsten Bedeutung des Wortes
prädiziert werden können, und der wahre oder schöne Gegenstand
ist daher zugleich als ein geltender Gegenstand, d. h. als geltend
prädiziert, vorausgesetzt.
Haben wir das eingesehen, so können wir sogleich noch eine
vierte Formel für ein logisches Minimum eines wahren Sinnes auf-
stellen, die lautet: „etwas ist (unsinnlich) geltend“, eine Formel,
die dann das einfachste wahre Sinngebilde oder das logische
Minimum zum Ausdruck bringt, das allen wahren Erkenntnissen
einer Geltungswissenschaft mit derselben logischen Notwendigkeit
 
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