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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0104
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Erster logischer Teil.

haltes von der Form, wie der Form vom Inhalt, zeigt sich besonders
daran, daß die identische Form, z. B. der Kugel, die inhaltliche
Verschiedenheit von Blei und Eisen völlig unangetastet läßt,
während ebenso umgekehrt die verschiedenen Formen des Würfels
und der Kugel die inhaltliche Gleichheit des Bleis oder des Eisens,
aus denen beide gemacht sind, in keiner Weise modifizieren.
Mit diesen einfachen Begriffsbestimmungen ist bereits alles
Wesentliche gesagt, was wir brauchen, um erstens zu wissen, wes-
halb wir die Ausdrücke Form und Inhalt als Bilder in der Logik
überhaupt verwenden, und zweitens, inwiefern wir sie nur in bild-
hafter oder übertragener Weise benutzen, d. h. was wir einerseits
an ihrer Bedeutung ändern müssen, und was trotzdem andrerseits
auch dann festgehalten wird, wenn wir bei nicht-körperlichen Ge-
bilden von Inhalt und Form sprechen.
Daß dabei jeder Gedanke an räumliche Verhältnisse schwindet,
und daß sich das bei vielen zuerst für die Körperwelt verwendeten
und dann auf andere Gebiete übertragenen Ausdrücken wiederholt,
wurde schon gesagt. Aber ein anderes Moment bleibt trotzdem,
und das genügt, um die Verwendung des Bildes als zweckmäßig er-
scheinen zu lassen. Für die Logik wichtig ist besonders die Identität
der Form bei verschiedenem Inhalt, also die Unabhängigkeit
des Inhalts von der Form, während die Gleichheit des Inhaltes bei
verschiedener Form nicht weiter in Betracht kommt. Daß wir das
eine Mal „Identität“ und das andere Mal „Gleichheit“ sagen, ist
selbstverständlich kein Zufall. Die Form ist bei zwei aus verschie-
denen Inhalten bestehenden logischen Gebilden dieselbe, wäh-
rend zwei logische Gebilde, welche verschiedene Formen zeigen,
nicht denselben, sondern nur einen gleichen Inhalt haben können.
Doch darauf brauchen wir hier nicht weiter einzugehen. Es kommt
in der Logik nur darauf an, daß wir an einem Gebilde, wie der
wahre Sinn es ist, ein identisches Form-Moment von einem
sich ändernden Inhalt trennen, und wir werden uns daran erinnern,
daß man eine solche Trennung in der Disziplin, die man „formale
Logik“ nennt, stets durchgeführt und dann auch mit den Aus-
drücken Inhalt und Form bezeichnet hat. Man wußte immer und
weiß heute genau, was man damit meint, wenn man z. B. die
überall identische Struktur eines Syllogismus als dessen „Form“
dem wechselnden Inhalt der vielen Schlüsse entgegensetzt.
Wir wollen hier nun freilich keine „formale“ Logik im üblichen
Sinne als bloße Denklehre treiben, wie sich später noch genauer
 
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