Metadaten

Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0117
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV. Subjekt und Prädikat.

109

Seite des logischen Sachverhaltes zum Ausdruck kommt, und daß
nicht minder wichtig die andere Seite ist, auf die der zweite Teil
seines berühmten Satzes hinweist: „Anschauungen ohne Begriffe
sind b li n d“. Das bedeutet mit einer bewußten Paradoxie: man kann
mit Anschauungen allein logisch nichts „sehen“, genauer: nicht
einsehen, daß etwas wahr ist. Dieselängst erkannte Wahrheit,
deren zwei Seiten gleich wichtig sind, haben wir versucht, ohne
jede Paradoxie auf einem etwas anderen als dem üblichen Wege
zum Bewußtsein und mit unserer Logik des Prädikats in Ver-
bindung zu bringen.
Machen wir wegen der Wichtigkeit der Sache endlich das,
was wir allgemein dargelegt haben, noch ausdrücklich an den beiden
einfachsten Sinngebilden, die uns vor allem als Beispiele dienten,
im besonderen klar.
In einem wahren Satz von der logischen Struktur: „etwas ist
(sinnlich) wirklich“, ist das Subjektswort im Einzelfalle die Be-
zeichnung für einen sinnlich anschaulichen Inhalt, und das Prä-
dikatswort bedeutet die unanschauliche, begriffliche Form, die
allen sinnlich anschaulichen Inhalten beigelegt werden muß, wenn
irgendeine Wahrheit über die „wirkliche“ Sinnenwelt erkannt
werdeu soll. Die Form der „Wirklichkeit“, wie wir sie im Unter-
schiede von „dem Wirklichen“, cl. h. dem als wirklich Prädizierten,
nennen können, und die über die anschaulichen Subjekte als Ur-
prädikat die jeder weiteren Wirklichkeitserkenntnis zugrunde
liegende Wahrheit gibt, ist überall dieselbe, ohne an dem anschau-
lichen Inhalt der Sinnenwelt etwas zu ändern. Im Ganzen des
Sinnes ist dann sowohl der identische als auch der variable Faktor
gleich notwendig, falls ein als wahr verstellbarer Sinn eines Satzes
über die (sinnlich) wirkliche Welt zustande kommen soll. Unter
ein solches Minimum an Form können wir nicht heruntergehen, wo
wir die wirkliche Sinnenwelt irgendwie erkennen wollen.
Dies Ergebnis läßt sich dann leicht auch auf die anderen
logischen Minima, deren Struktur durch den Satz „etwas ist (un-
sinnlich) geltend“ zum Ausdruck gebracht wird, übertragen. Man
muß nur eingesehen haben, daß im Gebiet des verstellbaren Un-
sinnlichen ebenfalls Form und Inhalt zu unterscheiden sind, und
daß diese Trennung hier wieder mit der Unterscheidung von an-
schaulichem Inhalt und unanschaulicher, begrifflicher Form zu-
sammenhängt. Dann versteht sich alles Weitere von selbst. Gewiß
sind die Bedeutungen der einzelnen Worte, die als Subjekte in
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften